Gabun - Roman
wie lange nichts, was mir in den letzten Tagen passiert war. Das Gewehr in Wessings Händen machte mit dem dicken Lauf, unter dem sich ein zweites Rohr befand, einen überdimensionierten Eindruck. Es war eine Pumpgun, wie ich noch erfahren sollte.
Im Raum herrschte eine Atmosphäre wie bei einem Fußballspiel, ehe ein Elfmeter angepfiffen wird. Und ich wusste, dass auch ich zu den Spielern gehörte und dass hier nicht mit einem Lederball gespielt werden sollte.
»Herr De Vries«, sagte Duvalle im Plauderton in die angespannte Atmosphäre hinein. Er hatte sich auf eines der Pulte gesetzt und spielte mit seinem Stöckchen. »Wie angenehm. Ich hatte Sie erst morgen erwartet.«
»Ich habe mich beeilt«, sagte De Vries.
Ich konnte nur hoffen, dass er die Situation nicht unterschätzte. Duvalles drei Unholde blieben gefährlich, obwohl sie in unbehaglichen Positionen standen, man merkte es ihnen an. Sie wirkten wie Stürmer, die dem Spiel in ihrem eigenen Strafraum zuschauen mussten. Dass sie nicht bewaffnet waren, musste an ihrem Selbstbewusstsein kratzen.
»Nachdem Sie mich gefunden haben, Monsieur Duvalle«, fuhr De Vries fort, »wollte auch ich versuchen, Sie zu finden. Das war nicht allzu schwierig. Sie sind hier in der Gegend nicht unbekannt.« Er lächelte, und Duvalle neigte den Kopf, als wolle er sich geschmeichelt geben.
»Sie haben meine Freunde bei sich aufgenommen«, fuhr De Vries fort. »Das war freundlich von Ihnen.«
Duvalle klopfte mit seiner Gerte in die offene Hand. »Wir sind gastfreundlich«, sagte er. »Vor allem dann, wenn es die Geschäfte fördert.«
»Ja«, sagte De Vries. »Richtig. Die Geschäfte. Sie möchten mir mein Gewehr zurückgeben, wie ich gehört habe. Und sicher wollen Sie mir Ihre Gäste wieder anvertrauen, die meine Freunde sind. Das ist nobel, Monsieur Duvalle. Aber es handelt sich nicht um ein Geschäft. Es ist – lassen Sie mich die richtigen Worte finden –, es ist ein Akt der Großzügigkeit. Dafür bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet.«
Duvalle lächelte, hob die Brauen. »So kann man das sehen«, sagte er. »Warum nicht. Machen wir einen Akt der Großzügigkeit daraus. Ihr Gewehr, Herr De Vries, ist mindestens zwanzigtausend Dollar wert. Sie hätten besser darauf achtgeben sollen.«
»Sie haben recht, das hätte ich tun sollen. Ich werde Ihren Rat in Zukunft beherzigen. Da fällt mir ein, es gibt noch etwas, worauf ich hätte achtgeben sollen.«
De Vries sah mich prüfend an, drehte den Kopf zu Felicité hinüber.
»Meine beiden Freunde wissen, wovon ich spreche, nicht wahr?«
De Vries’ Raubvogelaugen, das gepflegte, glatt rasierte Gesicht, ich roch sogar das zurückhaltende Parfum, das er trug. »Blenheim Bouquet« vielleicht. Lea hatte mir einmal davon vorgeschwärmt, der richtige Duft für den älteren Herrn. Ja, mein Gedächtnis ist schon immer ein Fluch gewesen, die dämlichsten Sachen fallen mir ein, in den unpassendsten Momenten. Wie die Werbepause in einem Spielfilm.
Ohne die Diamanten nimmt er uns nicht mit. Mein Gehirn kam ganz von selbst wieder auf das Wesentliche zurück. Ich war sicher, De Vries war nur wegen seiner Diamanten gekommen. Und Duvalle – ich spürte seit de Vries’ Äußerung seinen irritierten Blick auf mir –, Duvalle hatte mit dem Instinkt der Gier sofort begriffen, dass wir ihm etwas verschwiegen hatten.
»Worum handelt es sich?«, wandte Duvalle sich höflich wieder De Vries zu. »Vielleicht kann ich helfen.«
»Es handelt sich um zweiundzwanzig Rohdiamanten von je drei bis vier Karat, ein Teil davon in einem selten schönen Rosa. Meine Freunde hier haben sie für mich in Gewahrsam genommen, und ich hätte sie nun gerne wieder.«
»Natürlich«, sagte Duvalle. »Jetzt, wo Sie es sagen. Das hatte ich ganz vergessen, wie konnte ich.«
»Das kann passieren«, sagte De Vries. »Das Gedächtnis lässt einen zuweilen im Stich. Aber nun ist ja alles klar. Ich schlage vor, Sie lassen die Sachen holen, und ich halte Sie nicht länger auf. Sie hatten sich hier ohnehin etwas vorgenommen, wie ich sehe. Eine religiöse Feier?«
De Vries wies mit einer Kopfbewegung auf den Schädel, der fünf Meter entfernt auf einer Schulbank stand und seinen Pestilenzgestank in den Raum hineinsandte wie eine überdimensionale Stinkbombe. Dann wandte De Vries sich Felicité zu, die inzwischen seine Jacke trug, darunter war sie splitternackt. Sie fing seinen Blick auf, ihre Augen weiteten sich für einen Moment, dann sah sie an ihm vorbei. Duvalle
Weitere Kostenlose Bücher