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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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»Mojo«, flüsterte er und kicherte. Vielleicht kicherte er über meine abgehackte Hand, die er in seiner Anderwelt schon vor sich liegen sah. »Mojomojo.« Es blieb keine Zeit mehr. Mit dem Geflüster des Alten in meinem Kopf drehte ich den Becher um und setzte ihn auf das Pult. Langsam kippte ich ihn zur Seite, damit der Würfel auf der schrägen Platte nicht herunterrollte. Ich hatte eine Vier.
    Der bezopfte Stutzer riss mir den Becher aus der Hand und schmiss den Würfel hinein, ließ ihn rappeln und knallte ihn auf das Pult. Eine Zwei. Ich atmete aus, sehr, sehr langsam.
    »Touché, Herr Jesper«, sagte Duvalle. »Sie haben gewonnen.«
    Brocken fielen von meinem Herzen. Sie hätten ausgereicht, um sämtliche Kobaltlöcher von Trouville zu füllen. Nun wagte ich, Felicité einen Blick zuzuwerfen. Ich sah, wie rasch sie atmete. Aber sie schaute mich nicht an.
    »Diese Nacht werden Sie ruhig schlafen«, sagte Duvalle. »Sie bekommen jetzt etwas zu essen und einen Platz in einem Zelt, wo Sie ungestört sind. Wir spielen fair. Gewonnen ist gewonnen.«
    Mit bedauernd angehobenen Brauen lächelte er in die enttäuschten Gesichter der drei Unholde, die ihre gierigen Blicke von der schon bereitgestellten Felicité ab- und seiner Order zugewandt hatten, die er in ihrer Sprache wiederholt hatte. Der Riese mit der Kette um den Hals kickte wütend den Würfelbecher durch den Raum und ließ die Arme pendeln, der Dicke gluckste wie eine kaputte Wasserleitung, und der Rastamann starrte herüber mit dem Gesichtsausdruck eines Untoten.
    Duvalle wandte sich mir zu. »Morgen Abend«, sagte er auf Deutsch, »würfeln wir um die nächste Nacht.«
    Alle Brocken in meinem Innern kamen zurück wie in einem rückwärtsgespulten Film und versammelten sich erneut auf meiner Brust. Mir blieb die Luft weg. Duvalle sprach ein paar kehlige Sätze zu seiner Corona. Ich hörte ein hysterisches Kichern, die beiden anderen grinsten den Dicken an, stießen ihn in sein Fett. Alle würden drankommen, begriff ich, und der Dicke würde morgen seine Chance haben.

DREIZEHN
    Duvalle ließ uns in Ruhe, er hielt Wort. Felicité erhielt ihre Kleider zurück, wir durften unter Bewachung die grausige Schule verlassen und bekamen anschließend Baked Beans aus amerikanischen Dosen und Wasser in Plastikflaschen ausgehändigt. Für unsere Verhältnisse ein Top-Menü. Wir verzehrten es in einem eigenen Zelt, das man uns zuwies, bewacht von einem stummen Soldaten mit einer Kalaschnikow, der vor dem Eingang stand. Es handelte sich um eines der Vorratszelte, in dem Kisten mit Dosen, Nudeln und Reispackungen verstaut waren und bis an die Decke hoch gestapelte, in Folie eingeschweißte Packs mit Mineralwasserflaschen.
    Mir war klar, dass Duvalle nur die Spannung steigern wollte, desto besser ließ sich das Schauspiel ausschlachten. Er wusste, wie er seine Entourage bei Laune halten konnte. Wir hatten einen Tag Aufschub gewonnen, mehr nicht. Aber ich hatte inzwischen etwas dazugelernt. Mein Organismus oder meine Seele, ein mir noch nicht bekannter Teil meines Selbst jedenfalls, hatte gelernt, kurzfristiger zu denken. Ich konnte meine kalten Bohnen mit Appetit aufessen, ich konnte denken und mit normaler Stimme sprechen. Mit normaler Stimme sagte ich zu Felicité:
    »Was denkst du, was Duvalle mit uns vorhat?«
    »Er spielt mit uns Katz und Maus«, sagte sie.
    Lakonisch, stoisch löffelte sie ihre Bohnen. Ihre Art, mit so etwas umzugehen. Sie machte sich hart.
    »Vielleicht«, sagte sie dann, »hat er noch einen Plan B. Vielleicht will er, dass De Vries herkommt. Kann sein, dass er Geld für uns rausschlagen will.«
    »Würde er mir dann vorher die Hand abhacken lassen und dich diesen Kerlen ausliefern? Wenn er Lösegeld kassieren möchte?«
    Felicité stieß Luft durch die Nase aus. »Sicher würde er das. Du kennst diese Leute nicht, Bern’. Die Hauptsache ist, die Geiseln sind noch am Leben.«
    Wir saßen nebeneinander auf Feldbetten. Man hatte uns dazu noch je eine Decke spendiert. Die Plane am Eingang hing herunter, niemand hatte uns daran gehindert, sie zuzuknöpfen. Dennoch möglich, dass wir belauscht wurden. Über den Verbleib der Diamanten hatten wir uns bereits in Zeichensprache ausgetauscht. Sie lagen in einem Versteck im Toilettenzelt. Bis auf diejenigen natürlich, die noch in dem Schädel steckten. Ich hoffte, dass niemand auf die Idee kommen würde, das stinkende Ding näher zu inspizieren. Zumindest Duvalle hatte sicher keine Angst vor dem Schädel,

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