Gabun - Roman
Duvalle und den Rastamann in Schach zu halten oder sie vielleicht doch noch zu erwischen. Ich schaute, dass ich hinauskam, ich wollte keinen letzten Blick auf meine Gastgeber werfen. Dass man sie nicht unterschätzen durfte, sollte ich gleich merken. Olson, das Betondenkmal eines schussbereiten Kämpfers, nahm das Sturmgewehr hoch, als ich als Letzter an ihm vorbei war, wandte sich ab und schloss sich unserem Rückzug an.
Die Glasscherben im Flur splitterten unter unserem Getrampel. Wessing und De Vries waren schon am Eingang, da hörte ich hinter mir einen Schlag. Ein seltsames Geräusch, als benutze jemand eine Axt für etwas anderes als Holz. Ich drehte mich um und sah Olson taumeln, aus seinem Hals sah die Spitze der Machete heraus. Er griff danach, drehte sich langsam um, und ich sah die restlichen dreißig Zentimeter der Klinge mit dem Griff daran aus seinem Nacken ragen. Seine Augen standen weit offen, sie waren noch immer sehr blau. Dann fiel er nach vorne. Sein Sturmgewehr klapperte über den Zementboden.
Wessing war stehen geblieben. »Lary!«, brüllte er.
Er wollte umkehren, aber De Vries hielt seinen Arm fest. »Nicht«, zischte er. »Wir müssen hier raus, Gustav. Geht nicht. Bitte.«
Auf dem Dach wieder eine ratternde Salve. Noch eine. Wessing, dessen Gesicht ich im Dunkeln nicht erkennen konnte – ich wollte es auch gar nicht –, hielt uns am Eingang mit ausgestreckter Hand zurück.
»Wartet«, sagte er.
Das Gewehr auf dem Dach knatterte wieder. Dann ertönte erneut der Peitschenschlag, den ich vorhin schon einmal gehört hatte.
Wessing gab De Vries die Pumpgun und fingerte sein Handy aus der Tasche.
»Verdammte Schweine«, knurrte er, während er in die Tasten tippte. »Gottverdammte Schweine.«
Er wartete, das Handy am Ohr, auf die Verbindung, während De Vries den Flur im Auge behielt, die Schrotflinte halb erhoben. Wessing sagte ein paar englische Worte, es hörte sich an wie ein Code.
»Wir holen ihn nachher, Gustav«, sagte De Vries zu ihm, »okay? Wenn wir die Brüder alle haben.«
Während Wessing telefonierte, starrte ich auf das helle Viereck der Tür. Das Licht aus dem Klassenzimmer fiel auf Olson, der auf dem Bauch lag, auf seinen gefleckten Tarnanzug und auf die Machete, die aus seinem Genick ragte. Ich rechnete jeden Moment damit, dass Duvalle oder der Rastamann in der Türöffnung auftauchen würden. Aber nichts rührte sich.
»Okay. Wir können!«, sagte Wessing.
Er winkte uns aus dem Gebäude heraus. Alles war dunkel bis auf den Lichtschein, der aus dem Fenster der Schule drang und ein paar Büsche daneben beleuchtete. Auf der Mauer neben uns sah ich zwei kleine rote Lichtpunkte. Sie saßen dort wie Leuchtkäfer, und sie bewegten sich ein wenig hin und her, dann rutschten sie nach oben und verschwanden auf dem Dach.
»Sie haben uns auf dem Kieker«, sagte Wessing. »Alles klar.«
Etwa zweihundert Meter entfernt stand der Helikopter. Die Beleuchtung war ausgeschaltet. Sein schwarzer Umriss mit den herunterhängenden Rotorblättern wäre mir zuerst gar nicht aufgefallen. Er war riesig, ein Fabeltier, das uns gefunden hatte wie eine Nadel im Heuhaufen und das uns gleich durch die Luft davontragen würde, weg von Duvalle und seinen Schergen. Wessing schaltete eine Taschenlampe ein, schwenkte sie ein paarmal zum Hubschrauber hinüber. Dessen Bordbeleuchtung ging an. Man erwartete uns. Wir waren gerettet. Die gedehnten Töne der Grillen füllten die Nacht. Aber da war noch etwas, ein anderes Geräusch, es war vorhin schon da gewesen, ganz außen am Rand meiner Wahrnehmung.
»Los«, sagte De Vries.
Niemand rannte los. Alle horchten. Das Geräusch war jetzt nicht mehr zu überhören und wurde zunehmend lauter. Ein Knistern, als brenne ein Buschfeuer, als wären tausend und abertausend Hölzchen, Blätter, Erdkrumen ins Brodeln gekommen. »Mojomojo«, flüsterte jemand in meinem Ohr.
»Was ist das?«, flüsterte Felicité.
Sie schaute im Dunkeln an ihren nackten Beinen herunter.
»Da ist was«, stieß sie hervor. »Mein Gott! Was ist das denn?«
Niemand antwortete ihr, auch ich nicht, obwohl ich eine Ahnung hatte, eine hellsichtige Ahnung, die sich gleich bestätigen sollte.
Jetzt fingen wir alle gleichzeitig an zu laufen, und das Geräusch folgte uns. Es war hinter uns, neben uns, es kam inzwischen von überall. Aber hauptsächlich von unten. In dem flachen Licht, das vom Helikopter herüberdrang, schien der Boden in Bewegung geraten zu sein. Keine Karrenspuren mehr,
Weitere Kostenlose Bücher