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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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sie verdienen«, sagte Duvalle versonnen, während er seine Gerte bog, als wolle er herausfinden, wie viel er ihr zumuten konnte. Man hörte Stimmen draußen, das Knurren des Stutzers tönte durch den Flur.
    »Dass alle bekommen, was sie verdienen«, wiederholte De Vries. »Sind Sie also so etwas … wie der Weihnachtsmann?«
    Duvalle lächelte. Durch die Tür kam eben der Riese mit De Vries’ Gewehr in der Hand, hinter ihm Felicité, ein wenig außer Atem. Und suchte meinen Blick, zum ersten Mal, seitdem wir in der Schule waren. Und nickte mir zu. Sie hatte die Diamanten. Jedenfalls die Hälfte davon.
    »Das haben Sie schön ausgedrückt«, sagte Duvalle. »Das bin ich. Ein Weihnachtsmann. Santa Claus.«
    Duvalle lächelte De Vries breit an.
    »Und jetzt«, zischte er, »ist Bescherung.«
    Er schlug mit seiner Gerte zu, und er hätte De Vries ins Gesicht getroffen, wenn der nicht auf der Hut gewesen wäre. De Vries duckte sich, gleichzeitig stieß er mich hart gegen die Schulter. Ich taumelte nach rechts. Und sah, wie der Dicke die Hand mitsamt einer Pistole aus der Hosentasche riss und sie auf Olson richtete. Fast gleichzeitig rumste Wessings Pumpgun zweimal, und die linke Seite des Dicken explodierte unter der Gewalt der Schrotladung, als wäre etwas in ihm detoniert. Blut und Gewebeteile spritzten gegen die Wand des Klassenzimmers. Es riss den Dicken herum, er polterte zu Boden. Ich war bereits am Boden, De Vries lag neben mir. Aber der Riese war auf den Beinen geblieben. Er hatte sich Felicité geschnappt, die aufschrie, als er sie zu sich heranzerrte und mit seinen Klauen nach ihrem Hals griff. Ehe er ihr die Kehle zudrücken konnte, erwischte ihn Olson mit einer Salve aus seinem Sturmgewehr. Ich sah, wie die Einschüsse die nackte Haut am Oberkörper des Recken zerrissen, und hörte ihn brüllen, als er zu Boden stürzte. Olson trat zwei Schritte vor, senkte das Gewehr und schoss noch einmal, er machte ihm kalten Blutes den Garaus. Die Kugeln spritzten jaulend vom Boden weg. Ich wälzte mich zur Seite, um nicht getroffen zu werden.
    Von draußen wurde hereingeschossen. Der Putz stob an den Wänden entlang. Als Antwort ein weiteres Rumsen aus Wessings Schrotflinte, ein Fensterrahmen krachte heraus. Wessing schoss noch einmal auf das Fenster und produzierte eine Gipswolke, die das Deckenlicht verdunkelte. Ich starrte zwischen den Holzbeinen der Schulbänke auf Duvalle und auf den Rastamann, die am Boden in Deckung gegangen waren und sich auf allen vieren seitwärts bewegten. Duvalle hielt nach den Fenstern Ausschau, von dort erhoffte er sich wohl Unterstützung, der Rastamann hangelte sich mit finsteren Absichten hinter den Pulten entlang wie eine Krabbe. Vom Dach her hörte man ein paar Gewehrsalven, dann etwas wie einen Peitschenschlag, der sich noch einmal wiederholte und dem Knattern des Sturmgewehrs ein Ende setzte.
    Ich versuchte, Richtung Ausgang zu robben, heraus aus der Schusslinie. Kam auf die Beine, bückte mich neben De Vries, der inzwischen auch Felicité dazu gebracht hatte, sich hinter eines der Pulte zu kauern.
    Wir mussten den Rückzug planen, das war selbst mir klar. Aber wie sollten wir sicher hier herauskommen? Duvalle und der Rastamann, die hinter den Schulbänken über den Boden krochen, wurden von Wessings Pumpgun in Schach gehalten, der eben noch einmal eine Schrotladung über die Pulte schickte und eine Ansammlung schwarzer Punkte in die Wand zauberte. Am Boden lag der tote Riese wie ein erschlagener Gladiator, De Vries’ Gewehr dicht neben ihm. Zehn Meter weiter hinten, wusste ich, lag der aufgerissene Torso des Dicken, direkt unter dem Affenschädel. An der Wand über dem grausigen Altar prangte ein Riesenblutfleck, als habe man einen Eimer roter Farbe hingeschüttet. Der Schädel und die Schulbank, auf der er stand, waren mit Blut bespritzt.
    »Mojomojo«, sagte jemand in meinem Ohr.
    De Vries griff nach seinem Gewehr. Er zog Felicité am Ellbogen zu sich heran. Sah ihr ins Gesicht.
    »Wo haben Sie die Steine?«, sagte er.
    »Hier«, keuchte Felicité.
    Sie kniete halb nackt hinter dem Pult und drückte die Hand auf ihren Busen unter De Vries’ Jacke. »Sie waren auf dem Klo«, sagte sie mit großen Augen, noch immer außer Atem.
    »Sehr gut«, sagte De Vries. »Jetzt können wir gehen.« Er berührte meinen Arm. »Los, Herr Jesper. Laufen Sie!«
    Wir rannten zur Tür, Wessing folgte uns, die Schrotflinte im Anschlag. Olson zielte mit dem Sturmgewehr zwischen die Schulbänke, um

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