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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Weiß nicht, ob du die kennst, die Stadt. Ist ziemlich weit weg.«
    »Wie heißt sie, vielleicht kenne ich sie?«
    »Daressalam.«
    Auf der Hauptstraße, in die wir eingebogen waren, herrschte plötzlich Verkehr. Als wären wir aus einer gesperrten Zone herausgekommen, rollten wir nun zwischen Lastwagen, Pkws, Lieferwagen und Mopedfahrern entlang, es gab Verkehrsschilder, ab und zu eine Bude mit Bananen und Melonen. Wir rollten über Asphalt, es gab Begrenzungspfosten. Sumire erhöhte das Tempo. Ich lehnte mich zurück. Fühlte mich wieder in der Zivilisation angekommen. Hier konnte es für mich weitergehen. Ich würde eine Geschichte erzählen, eine gute Geschichte, das traute ich mir inzwischen zu. Dass ich noch einmal in eine solche Situation geraten konnte wie bei Duvalle, hielt ich schlichtweg für unmöglich.
    »Wie heißt die nächste Stadt?«, wollte ich wissen.
    »Novonbashi«, sagte Sumire.
    »Ist das eine richtige Stadt? Mit einem Mechaniker, was zu essen und so weiter?«
    »Klar ist das ’ne richtige Stadt«, sagte sie und lachte vor sich hin. »Das kannst du singen. Du wirst staunen.«
    Nach einiger Zeit erreichten wir die Randbezirke von Novonbashi. Wir rollten auf einer nagelneuen Straße durch den Ort. Meistens an Hütten vorbei, hier und da stand ein festes Haus, dazwischen ein paar alte Geländewagen und viele kaputte Autos aus vergangenen Tagen, stillgelegt, ausgeschlachtet. Randbezirke eben, dachte ich. Drei Ziegen meckerten wie wild unter einem Schattendach aus geflochtenen Palmwedeln, als wir an ihnen vorbeifuhren. Aber ich sah keine Bank, in der man mir einen Kaffee anbieten würde, während ich auf den Geschäftsführer wartete, um meine Diamanten dann auf einen kleinen Rahmen, ausgeschlagen mit rotem Samt, auszulegen und zu beobachten, wie seine Augen groß wurden. Stattdessen hörte die ausgebaute Straße plötzlich auf wie mit dem Messer abgeschnitten. Sumire trat auf die Bremse, und wir rollten wieder über eine Staubstraße voller Schlaglöcher. Über der Straße spannten sich Drähte, an schief stehenden Masten befestigt. Es war, als habe der Film gewechselt. Noch immer gab es bloß hässliche einstöckige Betonbauten und viele Hütten dazwischen. Eine Stadt hatte ich mir anders vorgestellt.
    »Am Ortsende gibt’s eine Tankstelle«, sagte Sumire. »Ich bring da ein paar Getränke hin. Da gibt’s auch einen Mechaniker.«
    »Wie weit«, sagte ich zu Sumire, »ist es bis zur nächstgrößeren Stadt?«
    »Zwei Tage«, sagte sie. »Mit dem da.« Sie klopfte auf das Blech der Motorabdeckung. »Mit einem Flieger eine halbe Stunde.«
    »Mit einem Flieger«, sagte ich.
    »Ja klar, mit einem Flieger.«
    Sie warf mir einen verständnislosen Blick zu, während sie in die Tankstelle hineinkurvte, Haken über Hand.
    Die Tankstelle sah so traurig aus, dass ich statt der zwei Zapfsäulen übereinandergestapelte Fässer passender gefunden hätte. Der Lastwagen hielt mit quietschenden Bremsen. In der Fahrerkabine roch es nach heißem Öl und Diesel. Ich schwieg betreten. Sumire sah an mir herunter, zeigte mir als Ergebnis ihres Eindrucks ein leichtes Stirnrunzeln.
    »Also wenn du Arbeit brauchst, Bernd. Ich sag das nur mal so. Weil du vielleicht knapp bist. Dann –«
    Ihr Blick war eine Frage. Meine Mechanikergeschichte war bereits gestorben.
    »Ja. Dann?«, sagte ich.
    Sie drehte den Schlüssel zurück. Der Motor kam mit ein paar rüttelnden Zuckungen zum Stillstand.
    »Dann geh zu den Chinamännern ins Restaurant. Rue Principale, es heißt ›Yang Tse‹. Dort gibt’s Arbeit. Sag, Sumire schickt dich, okay?«
    »Okay«, sagte ich.
    »Pass auf dich auf«, sagte Sumire. »Vielleicht schau ich mal nach dir, wenn ich wieder vorbeikomme. Eine Woche, zwei, ich weiß noch nicht. ›Yang Tse‹, okay?«
    »Okay«, sagte ich noch einmal.
    Sumire nickte mir zu und hebelte ihre Tür mit dem Haken auf.
    »Victor!«, schrie sie. »Wo steckst du? Komm raus! Gangsta!«
    Ich verließ den Wagen und trollte mich Richtung Stadt, wenn man Novonbashi so nennen wollte.
    Als ich bei der Straße war, schaute ich noch einmal zurück nach Sumire. Sie stand neben ihrem Lastwagenungetüm mit der grazilen Figur einer Marathonläuferin, im »Budweiser«-Shirt und den verfleckten Shorts, ein Bein elegant vorgestreckt, die Hände – also Hand und Haken – auf die Hüften gestemmt. Sie unterhielt sich mit dem Tankstellenbesitzer, die beiden lachten zusammen über irgendwas. Ich hätte mich gern dazugestellt, aber ich gehörte

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