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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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quer durch die linke Augenbraue, die aber sicher nicht als Schmuck gedacht war.
    »Komm rein«, sagte sie auf Englisch.
    Ich setzte mich neben sie. Sie trug ein »Budweiser«-T-Shirt, das lose an ihr herunterhing, und ehemals weiße, ölverschmierte Shorts. Und sie fuhr barfuß. Ihre Flipflops lagen auf dem Armaturenbrett, zusammen mit einem Stapel zerfledderter Mangas und leeren Zigarettenschachteln, einer Fastfoodpackung und zerknüllten Bacardi-Cola-, Bier- und Coladosen.
    »Danke«, sagte ich, und: »Hallo.«
    »Hallo«, sagte sie. »’n Bier?«
    »Lieber ein Wasser«, sagte ich. »Wenn’s das gibt.«
    »Gibt’s alles«, sagte sie. »Greif mal unter deinen Sitz, da ist ’ne Kühlbox. Und gib mir gleich ’ne Cola raus.«
    Sie legte den Gang ein und fuhr los. Ich zog die Kühlbox ein Stück unter dem Sitz hervor, öffnete sie und holte aus der köstlichen Kühle, die darin hin- und herwaberte, eine Dose Wasser und eine mit Cola heraus.
    »Mach sie mir auf«, sagte die Fahrerin.
    Ich knackte die beiden Dosen auf und reichte ihr die Cola hinüber. Sie nahm sie mir ab, und ich erschrak so sehr, dass ich fast meine Dose hätte fallen lassen. Ihre linke Hand war nicht da, fehlte einfach. Anstelle der Hand trug sie eine Ledermanschette, aus der ein blanker Haken ragte, den sie aus dem Lenkrad ausgehakt hatte. Tin Man. Tin Woman vielmehr. Der Rastamann mit der Machete. War sie ihm begegnet? Die Frau hatte die Dose an den Mund genommen und trank sie aus, ohne sie abzusetzen. Dann drückte sie sie mit der Rechten gegen das Lenkrad und verpasste ihr einen gezielten Hieb mit dem Haken, der die Dose in der Mitte eindellte.
    »Rollen sonst überall rum«, sagte sie. Warf einen Blick auf mein Gesicht und hob den Haken in die Höhe. »Törnt dich nicht an, oder?«
    Dazu lachte sie ein glucksendes Lachen, selbstzufrieden, nicht verächtlich und schon gar nicht beschämt. Wir fuhren durch eine kahle Landschaft, die sich, soweit ich sehen konnte, nicht im Mindesten verändert hatte. Sie bestand aus trockener roter Erde, in regelmäßigen Abständen wuchsen die hochgradig hitzeresistenten Büsche. Die Sonne stieg, ihre Strahlen prallten auf das Blechgehäuse der Lastwagenkabine und versuchten, sie auf Backofentemperatur zu bringen.
    »Sumire«, sagte die Frau mit dem Haken nach einer Weile, ohne sich mir zuzuwenden. »Das bin ich.«
    »Bernd«, sagte ich.
    So stellten wir uns vor. Sumire fragte nicht nach meinen Plänen oder warum ich kein Gepäck hatte, es schien ihr zu genügen, dass ich mitfahren wollte. Ab und zu musste sie abbremsen, um ganz langsam über ein Stück Wellblechpiste zu fahren, oder um tiefe Löcher herumkurven, damit der Lastwagen nicht aufsetzte. Dabei handhabte sie ihren Haken geschickt, indem sie ihn Hand über Haken in die Lenkradspeichen einhängte.
    Gerade wich sie von der Straße ab, weil ein hundert Meter langes Stück der Trasse einfach abgebrochen war. Der Lastwagen wühlte sich durch die rote Erde, und sie bekreuzigte sich ein paarmal, so lange, wie sie neben der Böschung entlangfuhr. Ich schaute fragend zu ihr hinüber.
    »Gefährlich«, sagte sie. »Scheiß-Erdhunde.«
    Als wäre das Erklärung genug gewesen. Hand über Haken kurvte sie wieder zurück auf die Fahrbahn.
    »Die Erdhunde graben dauernd Löcher«, sagte sie. »Wenn du Pech hast, fährst du rein. Dann ist Feierabend.« Nickte zu mir herüber. Bekreuzigte sich zweimal. »Glaube ist alles«, sagte sie. »Du musst glauben. Ich glaube an die Muttergottes, die gefällt mir am besten.«
    Ich hoffte, dass sie kein Glaubensbekenntnis von mir verlangen würde, und schwieg zu diesem Thema. Meine religiösen Erfahrungen hierzulande waren bisher nicht ermutigend gewesen. Die Muttergottes, die konnte ich noch verkraften. Sumire deutete auf eine Postkarte, die zusammen mit einem Rosenkranz am Armaturenbrett klemmte. Darauf war eine Gottesmutter zu sehen, die entsagungsvoll nach oben schaute, das Jesuskind auf dem Arm.
    »Maria«, sagte Sumire. »Sie heißt Maria.«
    »Aha«, sagte ich nun doch, weil ich meinte, etwas sagen zu müssen. »Das ist nicht die Hauptstraße, oder?«, wollte ich anschließend wissen.
    »Nein, siehst du das nicht? Das ist die beknackte Straße, die am Arsch der Welt liegt und von Loch zu Loch führt.« Sie kicherte. »Nicht was du jetzt meinst. Richtige Löcher meine ich, solche in der Erde. Die Hauptstraße, das ist die Katanga-Straße. Kommt noch.« Sie schüttelte den Kopf. »Hauptstraße«, sagte sie und lachte vor

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