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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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nicht dazu. Wohin gehörte ich? Auch nicht hierher, das war mir klar, als ich jetzt die staubige Straße entlangging mit nichts als einem Affenschädel voller Diamanten im Hemd und dem »Herz der Finsternis« in der Hosentasche.
    Auf dem Weg in die Stadt hätte ich mir außerdem De Vries’ Hut gewünscht, denn die Sonne stand im Mittag, keine Wolke, die sie daran gehindert hätte, alles zu versengen, unterbrach das Blau des Himmels. Man begriff unmittelbar, dass nichts vor dieser Hitze Bestand haben konnte. Sie ließ die Erde zu Pulver zerfallen, die Pflanzen, soweit das neben der Straße wuchernde Unkraut die Bezeichnung zuließ, konnten nur überleben, wenn sie drahtharte Blätter und Stängel entwickelten und die Fähigkeit, den letzten Rest Wasser von irgendwoher an sich zu ziehen. Vielen war das nicht gelungen, sie lagen vertrocknet herum, ihr Grün hatte sich in knochenhelles Weiß verwandelt. Ich sehnte mich nach einem Fleckchen Schatten.
    Das erste Wesen, das mir in Novonbashi entgegenkam, war wieder ein Huhn. Hätte man mich gefragt, welches Tier ich zum Symbol Afrikas erklären würde, vielleicht als Vorschlag für ein Emblem in der Kontinentalflagge, ich hätte eine Antwort gehabt. Aber vielleicht ging es ja auch nicht mit rechten Dingen zu, dass mir an Scheidewegen hier immer Hühner begegneten. Ich war inzwischen bereit, zu glauben und nicht zu glauben. Vielleicht waren die Hühner keine Hühner, sondern Zeichen. Nur konnte ich das Zeichen, das mir ständig als Huhn erschien, nicht entschlüsseln. Ob es Gutes oder Böses verhieß.
    Das bewusste Huhn stand mitten auf der Straße und legte den Kopf schief, um mich in Augenschein zu nehmen. Nach kurzer Prüfung entschied es, dass es seinen Weg fortsetzen könne, und verschwand gemächlich zwischen den Hütten auf der anderen Straßenseite. Dieser Bewohner von Novonbashi schätzte mich offenbar als ungefährlich ein. Die anderen Bewohner der Stadt hielten wohl zurzeit ihre Siesta, außerdem erwies sich der Ort als ziemlich ausgedehnt, die verstaubten Zwischenräume zwischen den Hütten und bunkerartigen Betongebäuden zogen sich hin. Jedenfalls begegnete mir niemand bis auf zwei Geländewagen, die an mir vorbeiröhrten und mich mit einer Staubfahne einhüllten.
    Im Zentrum, es sah in gewisser Weise nach einem Zentrum aus, weil sich hier einige Staubstraßen kreuzten, gesellten sich mir aus dem Nichts zwei kleine Jungen zu, die auf selbst gebauten Rollern fuhren. Diese Roller ähnelten auf bestechende Weise den schicken Gefährten, die manche Banker bei uns vor einiger Zeit noch benutzt haben, um den anderen Arbeitenden, die nicht so flink waren, zu zeigen, dass sie die Nasen vorn hatten. Inzwischen sind die Dinger wieder aus der Mode, ich glaube aber nicht aus Gründen einer neuen Bescheidenheit. Die Gefährte jedenfalls, auf denen sich die Jungen mit blitzenden Augen rechts und links an mir vorbeitraten, ließen, obwohl sie aus Kistenbrettern angefertigt waren, die Merkmale der Originale ganz gut erkennen. Selbst die winzigen Räder hatten sie hingekriegt, ich glaube, es waren Möbelroller, die auf der kaputten Straße furchtbar bockten. Einer der Roller war mit einer Sprühdose rot eingefärbt worden, der andere nur zur Hälfte, vielleicht hatte die Farbe nicht gereicht.
    »He«, rief ich den Jungen zu. »Rue Principale?«
    Die Jungen lachten ein quietschendes Lachen und rollerten weiter um mich herum. Klar, dass sie nicht auf die Idee kamen, ich könnte sie was fragen wollen, es ging darum, mir ihre Gefährte vorzuführen, nicht um meine Bedürfnisse.
    »Yang Tse«, probierte ich es noch einmal und erntete wieder das zwitschernde Lachen.
    Dann rief eine dunkle Stimme von irgendwoher etwas Unfreundliches, und die beiden Jungen hasteten auf ihren Rollern davon. Die Stimme hatte geklungen, als komme sie aus einem Keller heraus.
    »M’sieur«, sagte dieselbe dunkle Stimme.
    Sie gehörte einem Mann, den ich gar nicht bemerkt hatte. Er hockte im Schatten unter dem Dach einer Hütte. Sein Oberkörper war nackt, er trug nur eine alte Arbeitshose. Seine Hautfarbe war ein verstaubtes, tiefes Schwarz. Neben ihm lag ein aufmerksam blickender Hund. Nein, kein Huhn, diesmal war es ein Hund, irgendwie erleichterte mich das. Der Mann war alt. Schwer zu schätzen, wie alt. Seine Haare und sein Bart besaßen ein Grau wie poliertes Eisen.
    »Bonjour«, sagte der Mann und wies mit einer eleganten Bewegung neben sich, wo auf dem Stamm einer flach gelegten Kokospalme noch

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