Gabun - Roman
Platz war. Ich nahm dankend an. Der Mann nickte vor sich hin, als bestätige sich nun eine Reihe von Vermutungen, die er bereits über mich hegte, dann griff er hinter sich.
»Coco?«, fragte er.
Ich bejahte. Sah, wie der Mann eine Machete und eine Kokosnuss hinter dem Palmstamm hervorzauberte und die Nuss mit ein paar geschickten Schlägen anspitzte, bis die harte Schale in der Hülle zu sehen war. Dann stach er mit der Spitze der Machete geschickt ein kleines Dreieck heraus. Ze Zé hätte seine Freude an ihm gehabt. Saft spritzte. Der Alte reichte mir die Nuss.
»Voilà«, sagte er.
Ich trank den klaren Saft. Und war versöhnt. Schatten, ein erfrischendes Getränk. Freundlichkeit. Es war leicht, mich zu versöhnen. Man musste mich nur gut behandeln, dann konnte man mit mir auskommen.
»Merci«, sagte ich.
Der Alte winkte ab. Mit einer schweren Hand, die Finger von alten Narben kreuz und quer zerschnitten. Seine Hand sah so aus, als hätte man sie jahrelang dazu benutzt, um etwas anderes vor scharfen Drähten zu schützen.
Er schaute zur Straße hinüber. Das Weiß seiner Augen war von roten Äderchen durchzogen. Der Hund sah mir dabei zu, wie ich aus der Nuss trank, hechelte zustimmend, seine rosa Zunge hing heraus. Ich setzte die Nuss ab, bemerkte eine Bewegung neben der Hütte. Eine Ziege. Sie schaute mit schief gelegtem Kopf um die Ecke nach mir. Ein gelbes Auge mit der waagerechten Iris leuchtete aus dem Schatten heraus. Sie bewegte ihre Ohren ein ganz klein wenig hin und her, um mir zu zeigen, dass sie von mir Notiz nahm. Ziegen, dachte ich, gelten als klug.
»Rue Principale?«, fragte ich. »Yang Tse?«
Der Alte hob das Kinn und schnalzte mit der Zunge, ich konnte die Bedeutung dieser Geste nicht entschlüsseln.
»C’est là«, sagte er dann.
Er wies auf eine Kreuzung weiter unten, über der abenteuerlich gespannte Stromleitungen nach links abzweigten. Man hatte sie nicht nur auf Pfosten, sondern je nach Bedarf auch an günstig stehenden Kokospalmen befestigt. Da ihre Spannhöhe ständig wechselte, gaben sie der Eintönigkeit der Ortschaft eine bizarre Note, als wären sie ein beabsichtigtes Ornament. Ich trank aus meiner Nuss. Der Saft war überraschend kühl und viel weniger süß, als ich erwartet hatte. Er schmeckte nach einer erdigen Unberührtheit, die einem Kraft verleihen konnte. Kraft konnte ich gebrauchen.
Ich dankte dem Mann. Verabschiedete mich, verließ den Schatten der Hütte und ging weiter durch die Sonne hinüber zur Kreuzung. Dort gab es ein Straßenschild, das erste und einzige, das ich sah. Darauf stand »Rue Principale«. Na also.
Das »Yang Tse« befand sich zweihundert Meter weiter die Straße hinunter. Es bestand aus mehreren großen, mit gelben Kunststoffplatten gedeckten Gebäuden. Daneben stand die größte Ansammlung von Autos, die ich in den letzten Wochen gesehen hatte. Ein Dutzend Fahrzeuge, mehr als die Hälfte nagelneu, bloß etwas eingedreckt, hauptsächlich Geländewagen von japanischen Herstellern. Daneben einige Roller und ein paar Limousinen, auch japanische Marken. Drei Leute standen unter einem breiten Vordach, es schien gerade wenig Betrieb zu sein. Ich trat unter den Schatten des Wellblechdachs und wurde von den dreien kurz gemustert, es waren zwei Chinesen und ein Afrikaner.
»Hello«, sagte ich und hob einen Finger in der Meinung, damit ein international verständliches Begrüßungszeichen ausgeführt zu haben.
Niemand antwortete mir. Ich schien die drei bei ihrer Unterhaltung gestört zu haben. Bei Chinesen, dachte ich, ist es immer günstig, sich vorsorglich zu entschuldigen, allerdings hatte ich bisher kaum welche kennengelernt. Jedenfalls entschuldigte ich mich, aber auch das zeigte keine Wirkung. Sie sahen mich in einer Weise an, als warteten sie darauf, dass ich wieder ginge. Ich fuhr mir kurz über den Bart, wie um zu betonen, dass das mein Stil war und keinen Mangel an Rasiergelegenheiten bezeugte, dann sagte ich kühn, dass ich gern den Küchenchef sprechen wolle.
»Wir haben geschlossen«, sagte einer der Chinesen. Er klebte höflich, aber abweisend ein »Sir« hintendran, mit einer halben Sekunde Abstand, um klarzumachen, dass diese Ehrung ihn zu nichts verpflichtete, jedenfalls nicht mir gegenüber.
»Ich suche Arbeit«, sagte ich zu ihm.
Ich hoffte, meine Ehrlichkeit würde entwaffnend wirken. Arbeit, hatte ich einmal gehört, schände nicht. Wer sie sucht, muss sich folgerichtig auch nicht schämen oder entschuldigen. Dabei
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