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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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ignorierte ich geflissentlich die wirtschaftliche Entwicklung der letzten zwanzig Jahre.
    »Sumire«, fiel mir noch ein, im letzten Moment, als in den abweisenden Gesichtern zusätzlich Ungeduld auftauchte. »Sumire schickt mich. Wir kennen uns.«
    »Sumiiire«, rief der andere Chinese. »Sumiiiire.«
    Daraufhin brachen die beiden in einträchtiges Lachen aus, das fremd und chinesisch in meinen Ohren klang und mir seine Bedeutung verschloss. Vielleicht war »Sumire« ja Chinesisch und hatte eine sehr lustige Bedeutung, vor allem wenn ein Arbeitssuchender damit ankam. Der Afrikaner lachte nicht mit, er blieb bei seinem muffigen Gesichtsausdruck. Ich hatte inzwischen bemerkt, dass er einen Blaumann trug. Ein Auftragsempfänger also, vielleicht sollte er etwas reparieren.
    »Haben Sie schon einmal in einer Küche gearbeitet?«, fragte einer der beiden Chinesen, nachdem sie zu Ende gelacht hatten. Ohne auf meine Antwort auf seine erste Frage zu warten, fügte er an: »Haben Sie Papiere?«
    »Ich habe in einer Safarilodge gearbeitet«, sagte ich. »Und ich habe in Berlin in einem Hotel gearbeitet. In der Küche. Alles, was man da so macht. Jahrelang.«
    Das war gelogen. Ich hatte die Küche dort nie von innen gesehen, und ich hatte höchstens ein halbes Jahr bei Lea in Lohn und Brot gestanden, obwohl es mir manchmal viel länger vorgekommen war.
    »Ihre Papiere? Wo kommen Sie her? Haben Sie Probleme mit der Polizei?«
    Das waren viele Fragen bei vierzig Grad im Schatten. Sie brachten meinen erhitzten Verstand auf Touren. Wenn es überhaupt Fragen waren und nicht vorgezogene Begründungen für den gleich zu erwartenden Rausschmiss und das anschließende Lokalverbot.
    »Ich hatte einen Unfall«, sagte ich und strich mir noch einmal über den Bart. »Ich war mit meinem Motorrad unterwegs und wurde von ein paar Typen überfallen. Alles weg, Motorrad, Papiere, Geld. Ich möchte ein paar Wochen arbeiten, damit ich Geld habe, um zurück nach Hause zu kommen.«
    »Haben Sie keine Familie, keine Leute, die Ihnen Geld leihen können?«
    Ich suchte verzweifelt nach einer Antwort, die die beiden Männer überzeugen konnte, die mich mit den Händen in den Hüften taxierten wie einen Hausierer. Möglich, dass sie mich nur ein bisschen piesacken wollten, bevor sie mich wieder wegschickten. Ich hatte mal etwas über einen Chinesen gelesen, der Probleme mit seiner Familie hatte, welche, fiel mir im Moment nicht ein. Mir fiel nur ein, dass der Chinese sich viel Mühe gegeben hatte, mit seiner Familie wieder ins Reine zu kommen.
    »Wissen Sie«, sagte ich, »meine Familie ist sehr stolz. Ich wollte meinen Eltern beweisen, dass ich es alleine schaffen kann. Jetzt schäme ich mich, Geld von ihnen zu verlangen. Es geht gegen meine Prinzipien. Ich will sie nicht mit Schande belasten. Es sind ehrenwerte Leute.«
    Der ältere der beiden Chinesen musterte mit vorgeschobener Unterlippe weiterhin die obere Hälfte meiner Erscheinung. Ich gab mir Mühe, wie ein Motorradfahrer auszusehen, der überfallen worden, sonst aber vertrauenswürdig war, der Prinzipien hatte und aus guter Familie stammte. Dafür, dass nichts davon zutraf, klappte es ganz gut.
    »Gehen Sie in die Küche«, sagte der Chinese, die Unterlippe in unverändert skeptischer Position. »Melden Sie sich bei Ah Soo. Wir versuchen es für eine Woche mit Ihnen. Der Koch gibt Ihnen saubere Kleider und sagt Ihnen, was Sie tun sollen. Sie bekommen zehn Dollar am Tag. Die Arbeit dauert zwölf Stunden.« Er ließ seine Unterlippe wieder in Normalstellung zurückrutschen. »Sie bekommen das Geld bar auf die Hand. Wenn wir Ihretwegen Probleme mit der Polizei kriegen, sind Sie gefeuert. Ohne Gehalt natürlich.«
    Er lachte wieder los, den Kopf eingezogen vor Begeisterung, der andere Chinese lachte mit, in genau der gleichen Körperhaltung. Sie fanden, sie hatten die Sache gut gelöst. Dann wandte man sich von mir ab, Wichtigerem zu.
    Ich betrat das »Yang Tse« auf der Suche nach der Küche und nach einem Koch, der Ah Soo hieß. Im Inneren des großen Gebäudes, an dessen Decke vier Ventilatoren langsam kreisten, standen so viele Bänke und Tische, dass es leicht für ein mittelgroßes Bierzelt gereicht hätte. Zwei Frauen, einheimische, keine Chinesinnen, stopften langsam gebrauchte Papiertischtücher und Servietten in blaue Müllsäcke. Ihre Blicke folgten mir, während ich mich zwischen den Bänken hindurchdrückte, Richtung Küche. Sie befand sich hinter einer Wand mit einer großen

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