Gabun - Roman
sich hin. »Also so was. Was machst du überhaupt hier?«
Sie sah mich an, als habe sie sich das noch gar nicht überlegt.
Ich erklärte ihr, ich hätte einen Unfall gehabt. Nun müsste ich in die nächste Stadt, in eine größere Stadt, fügte ich sicherheitshalber an, um nicht im nächsten Kaff aussteigen zu müssen. Dort wollte ich einen Mechaniker suchen.
»Weißt du, Brennt – nein«, sagte sie. »Anders, du heißt anders. Wie heißt du wieder?«
»Bernd«, sagte ich.
»Komischer Name«, sagte Sumire. »Ich nehme jeden mit«, hängte sie an, was ich nicht als Kompliment wertete. »Zünd mir mal ’ne Zigarette an, Bernd. Nimm dir auch eine.«
Ich fand eine halb gefüllte Zigarettenschachtel, nahm zwei Zigaretten heraus und zündete sie an. Eine reichte ich Sumire und nahm anschließend einen tiefen Zug aus der anderen. »Marlboro« hatte auf der Packung gestanden, vermutlich ein Imitat. Aber die Zigarette schmeckte gut.
»Die Männer, weißt du«, fing Sumire noch einmal an, »tun mir nichts.« Sie lachte ihr glucksendes Lachen, wie ein zufriedenes Huhn klang es. »Die haben Angst vor meinem Dingsda.«
Sie fuchtelte mir so unvermittelt mit dem Haken vor der Nase herum, dass mir die Zigarette aus der Hand fiel und wir Schlangenlinien auf der verstaubten Straße fuhren.
»Und ich«, kicherte sie, den Haken schwenkend, »ich hab keine Angst vor ihrem Dingsda.«
Der Wagen schlingerte noch immer hin und her. In der Ladung kollerte es, und der Hänger ächzte in den Streben.
»Pass auf!«, schrie ich.
»Ach Mann«, sagte Sumire. Ein verächtlicher Blick traf mich. »Ich kann fahren, das kannst du mir glauben.«
Nach einer Stunde oder nach zwei Stunden kam uns der erste Lastwagen entgegen. Sumire hupte ein paarmal von Weitem, der andere Laster antwortete auf dieselbe Art. Beide bremsten sie ab und hielten dicht nebeneinander an, die Führerhäuser auf gleicher Höhe. Durch die heruntergekurbelten Fenster klatschten sie sich einen Gruß in die offenen Hände. Der Fahrer des anderen Lastwagens, ein junger Mann mit länglichem Gesicht und sehr krausen Haaren, sprach Sumire auf Französisch an. Sie antwortete mit einem Kauderwelsch aus französischen und englischen Brocken, auf das der Mann sich lachend einließ. Ich verstand nicht viel davon. Nach kurzer Konversation drehte sich Sumire zu mir um und sagte:
»Bernd, das ist Alec. Spricht kein Englisch. Trinkt aber gerne ’ne Bacardi-Cola, oder, Alec?«
»Oui«, sagte Alec.
»Macht tausend Kongo«, sagte Sumire. »Oder zwei für fünfzehnhundert, okay? Hol mal zwei Bacardi-Cola raus, Bernd.«
Ich zog die Kühlbox hervor und kam der Aufforderung nach. Alec hatte inzwischen ein paar Scheine herausgefingert und hielt sie hoch. Die beiden Dosen wechselten hinüber. Alec nahm sie sehr vorsichtig aus der rechten Hand Sumires entgegen. Die rollte die Scheine zusammen, hob ihr T-Shirt an und steckte sie in den Bund ihrer Hose.
»Fuck you, Alec«, sagte sie und schlug mit dem Haken an das Blech der Nachbarkabine.
»Sumire«, sagte Alec. Schüttelte den Kopf und gab Gas.
Wir näherten uns der Hauptstraße. Dreimal waren uns bereits fabrikneu aussehende Geländewagen entgegengekommen. Nun kam wieder einer. Drei Chinesen saßen darin, mit weißen Stoffhüten auf den Köpfen, zwei im Fond und einer auf dem Beifahrersitz.
»Chinamänner«, sagte Sumire. »Die Arschlöcher von Chinamännern.«
Sie wich diesmal nicht aus, der Lastwagen rollte wie auf Schienen auf den Landrover zu. Der hupte, aber er musste von der Straße herunter. Er holperte die Böschung hinab und schwankte gehörig, als er sich mit durchdrehenden Reifen durch das Gelände neben der Straße wühlte. Der Mann am Steuer schimpfte mit geballter Faust zu uns herauf. Die Chinesen hielten ihre weißen Hüte fest und schauten empört.
»Können nicht fahren, die Chinamänner. Wieso bleiben sie nicht in China«, sagte Sumire.
»Was hast du eigentlich dahinten in deinem Wagen?«, sagte ich. »Darf ich das wissen?«
»Klar darfst du das wissen. Roten Dreck und gelben Dreck. Was diese Typen da kaufen wollen, die Chinesen. Deshalb sind sie hier.«
»Und wohin fährst du?«
»Ich fahre überallhin. Mich brauchen sie überall. Mal fahre ich zu den Löchern, so wie heute, mal fahre ich ein paar Tage lang bis ans Meer. Ich bin zuverlässig. Nicht wie die Kerle, die saufen und Zeug klauen. Ich bin eine Frau.«
»Ans Meer«, sagte ich. »Wo ist das, am Meer?«
»Große Stadt. Viele Schiffe, viele Chinesen.
Weitere Kostenlose Bücher