Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
Vom Netzwerk:
und bekräftigte diese kühne Behauptung mit zweifachem Nicken.
    »Wir werden in drei Jahren eine Straße gebaut haben, die bis zur Kongomündung führt, und dann«, er sah in die Runde, die Kollegen nickten ihm zu, die Essstäbchen ragten aus ihren Fäusten, als taugten die auch zum Straßenbau, »dann wird es möglich sein, die enormen Rohstoffquellen dieses Landes zu erschließen. Unsere Länder werden beide profitieren«, behauptete er und sah mich triumphierend an.
    »Ohne Zweifel«, sagte ich. »Guten Appetit.«
    Zurück in der Küche musste ich mir Ah Soos Vorwürfe anhören, während vom Speisesaal das fröhliche Kichern der Mädchen und die disziplinierten Lachsalven der Herren herüberdrangen. Er wolle bloß wissen, zischte Ah Soo streng, was zum Teufel mich dazu gebracht habe, ein Gespräch mit den Herren anzufangen.
    »Keine Zeit für so was. Wenn sie sich beschweren, bist du gefeuert«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    Inzwischen lagen vier Tage Arbeit in Ah Soos Küche hinter mir. Ich arbeitete in Frieden und durchaus auch in Harmonie. An die Maloche hatte ich mich einigermaßen gewöhnt, und mittlerweile ließ man mir auch mehr Freiheiten. Ah Soo hatte sich als gutmütiger erwiesen, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Ich glaube, es verschaffte mir Anerkennung, dass ich mich umstandslos dem Arbeitspensum unterwarf, das er mir auferlegte. Und ich bekam bei ihm das beste Essen, das ich je gegessen habe, ohne Übertreibung. Offensichtlich hatte die Kulturrevolution vor dem chinesischen Essen haltgemacht. Ich war überzeugt davon, dass schon vor tausend Jahren die Dichter in Nanjing zusammen mit ihren Lieblingskonkubinen diese wunderbare Suppe mit braunen Seetangfäden und hauchdünnen, in Ingwer eingelegten gerösteten Schweinespeckscheibchen gelöffelt hatten, die ich gerade genoss. Sie brachte das Meer zu einem, diese Suppe, den strengen Geruch am frühen Morgen auf einem lärmenden Fischmarkt, mit Räucherstäbchenbuden und einer fernen Dschunke im Dunst des Pazifiks. Nicht zu reden von anderen Köstlichkeiten, die meinen kulinarischen Horizont Schälchen für Schälchen erweiterten.
    Es hätte also alles gut gehen können. Ich plante, nach Sambia oder nach Tansania zu gehen. Dort würde ich das deutsche Konsulat aufsuchen. Wenn ich genug Geld beisammenhatte, um aufzubrechen. Hundert Dollar sollten reichen, dafür kam man mit dem Flugzeug über die Grenze, für ein paar Dollar mehr vielleicht auch ohne Papiere, möglicherweise ließ man mich auch einmal mitfliegen, wenn die nächste Mädchenstaffel von »African Beauties« nach Hause gebracht wurde.
    Meinen Aufenthalt in der Demokratischen Republik Kongo wollte ich aus guten Gründen nicht über Gebühr verlängern. Schließlich gab es da den kleinen Affenschädel, sorgsam vergraben unter dem Kunststoffboden meines Kuppelzelts, gerade so tief, dass ich seine gewölbte Kontur jeden Abend beim Einschlafen ertasten konnte, um mich davon zu überzeugen, dass er noch da war. Weiß und geruchsfrei, sauber geputzt von den Mandibeln der Treiberameisen. Vor weniger als einer Woche noch hatte ich ihn vom Blut der Landsknechte Duvalles bespritzt gesehen.
    Es brauche Blut, hatte Felicité mir erzählt, für Magie. Für starke Magie jedenfalls. Mojo, bestätigte jemand in meinem Kopf, wenn ich an den Showdown im Klassenzimmer dachte. Jemand, der sich manchmal von selbst einschaltete, unversehens und unverzerrt. Nicht so wie Lea, die auf ihrer eigenen Kurzwellensendung in meinem Kopf sendete, einer fernen Frequenz, ziemlich schrill und nicht immer verständlich. Derjenige, der mir ab und zu das magische Mantra zuflüsterte, war mir näher, und das Verwaschene, Undeutliche seiner Sprache kam davon, dass er fast keine Zähne mehr hatte, abgesehen von den eingeschlagenen Stummeln in seinen Gaumenspangen. Er saß direkt in meinem Kopf, zwischen uns gab es keinen Abstand. Zum Glück sagte er nur dieses eine Wort und erschreckte mich nur ab und zu damit, als sollte ich ihn nicht vergessen. Ich hätte es auch nicht vertragen, zu dem ganzen Stress hier auch noch Stimmen hören zu müssen, vielleicht sah er das ein.
    Ich nahm meine Hand von der harten Wölbung unter dem Zeltboden und rappelte mich auf die Beine, stand auf und verließ meine Schlafstatt, um hinüber in die Küche zu gehen, meine Arbeit anzutreten. Ich wusch mich an einem aufgehängten Wasserkanister im Schatten hinter einem der Container, das Wasser war warm, es wurde nie kalt. Putzte mir die

Weitere Kostenlose Bücher