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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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wohl.
    »Shi-shi«, sagte Ah Soo.
    Das Tier sei sehr bekannt in China, fügte er hinzu, musterte mein verständnisloses Gesicht und schüttelte den Kopf. Unglaublich, dass ich das Tier nicht kannte.
    »Shi-shi«, sagte er noch einmal und lachte.
    »Shi-shi«, wiederholte ich.
    »Nein: Shi-shi«, korrigierte mich Ah Soo. Ich müsse die zweite Silbe tiefer sagen als die erste. Er schüttelte noch einmal den Kopf. Ich würde das nie lernen.
    Ah Soo erklärte mir, dass es sich bei dem vor sich hin starrenden Tier um das Wahrzeichen von Nanjing handle. Es sei das Tier, das Geld essen könne. Es esse das Geld, aber es könne es nicht wieder ausscheiden. Ah Soo nahm die Statue in die Hand, drehte sie um und wies auf die Stelle unter dem Schwanz, an der bei Wirbeltieren die Ausscheidungsöffnung ihren Platz hat.
    »Kein Loch drin«, sagte er vergnügt. »Behält alles bei sich.«
    Nanjing, führte Ah Soo weiter aus und stellte das Fabeltier vorsichtig an seinen Platz zurück, sei einmal sehr reich gewesen. Dafür stehe das Tier, und es werde immer ohne Loch skulpturiert.
    Zum zweiten Mal erwies sich Ah Soo als Meister der Metaphorik. Möglicherweise kannte er ja Sigmund Freuds Deutung von Verdauungsproblemen, hinter denen sich angeblich anale Raffgier verbergen soll. Ah Soo schob seine Schälchen von sich und teilte Lin Tau und mir mit, dass heute Abend ein Essen im kleinen Kreis geplant sei. Wir seien daher gehalten – ein Seitenblick schloss mich mit ein –, nach dem allgemeinen Abendessen zu seiner Unterstützung dazubleiben.
    Keine Zeit mehr zum Plaudern. Ich machte mich mit schmerzenden Muskeln an das Geschirr.

FÜNFZEHN
    Die abendliche Gesellschaft, die Ah Soo angekündigt hatte, bestand aus drei älteren Chinesen, die in Begleitung junger einheimischer Damen eintrudelten, unter dem markigen Gelächter der Herren und dem Kichern der jungen Damen. Sehr junger Damen, wie mir ein Blick durch die Durchreiche zeigte. Leitende Ingenieure der Gesellschaft, meinte Ah Soo, sie feierten heute Abend ihre Ablösung, ehe sie zurück nach China flögen.
    Ah Soo kochte schon seit einer Stunde parallel. Er zweigte einiges vom üblichen Abendessen ab und fügte nach und nach Spezialitäten hinzu, die er für besondere Gelegenheiten in Reserve hielt. Es sollte zusätzlich kross gebratene Hühnerfüße geben, gedünstete Entenzungen, den schon gepriesenen Hundenacken, eingeweichte Fischgräten als spezielle Suppeneinlage und diverse Teile von Lebewesen mit und ohne Zentralnervensystem, die wohl ihrer magischen Eigenschaften wegen auf den Tisch kamen. Vielleicht auch wegen ihrer aphrodisischen Eigenschaften, dachte ich nach einem weiteren Blick auf die jungen Damen angesichts des Altersunterschieds.
    Auf meine sondierende Frage nach der Zusammensetzung der Tischgesellschaft sagte Ah Soo lakonisch: »African Beauties.«
    Es handle sich dabei, erklärte Ah Soo, während er mit einer Holzkelle die Hundenackenmedaillons wendete, um eine Website, auf der man Escortdamen buchen könne. Darauf werde von den besseren Angestellten zu solchen Anlässen gern zurückgegriffen. Ich wollte wissen, wie die Damen, die recht elegant gekleidet und wirklich sehr attraktiv waren, hierher nach Novonbashi kämen. Ich hatte die anstrengende Fahrt mit Sumire ja noch lebhaft in Erinnerung. Ah Soo teilte mir mit, dass die Gesellschaft über ein paar Flugzeuge verfüge, die man privat buchen könne. Nach Lumumbashi zum Beispiel fliege man eine Stunde, nach Sambia oder Tansania vielleicht zwei Stunden, je nachdem, wohin man wolle. Die Betreiber von »African Beauties« verlangten Tarife, die andere Transportmittel von vornherein ausschlössen. Die Damen kämen in der Regel am Nachmittag und reisten am nächsten Morgen wieder ab.
    Im Speisesaal hatte man ein paar Bambusparavents aufgestellt, um die besonderen Gäste nicht mit den Aufräumarbeiten zu belästigen, die noch nicht ganz beendet waren; die einheimischen Helferinnen waren nicht so pünktlich wie die Tischgesellschaft, die auf den Glockenschlag um acht eingetroffen war. Ich wurde hinaus zum Kühlcontainer geschickt, um drei Flaschen Sekt und eine Kiste Cola zu holen. Auf diese Weise wieder im gehobeneren Service tätig, fühlte ich mich beinahe wie bei Ze Zé in der Lodge.
    Im Innern des Containers wand ich mich zwischen den ekelerregenden Schweinehälften hindurch, suchte den Sekt und fand ihn auch. Die Aufschrift auf den Etiketten war kyrillisch, der berühmte Krimsekt vermutlich. Ich nahm drei

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