Gabun - Roman
Zähne. Dann trabte ich hinüber ins Restaurant und empfing in der Küche von Ah Soo den fünften Zehn-Dollar-Schein. Ein Beweis seines Vertrauens. Er hatte damit begonnen, mich jeden Tag im Voraus zu entlohnen. Es hätte alles gut gehen können, wie gesagt.
Wir richteten das Frühstück her. Ich spülte mit François das Geschirr ab, stapelte es in die Regale und machte mich anschließend ans Gemüseputzen für das Mittagessen. Aber vorher musste ich noch mal austreten. Dazu begab ich mich in das Dixie-Klo, das hinter dem Restaurant für das Personal aufgestellt war. Es erinnerte mich mit seinem betäubenden Parfümduft an Klemms Schrottplatz, wo am anderen Ende des ausgedehnten Geländes auch so ein Klo gestanden hatte. Während ich chauvinistisch im Stehen pinkelte, lugte ich, einer Laune folgend, durch das Klofensterchen hinaus auf den Parkplatz des »Yang Tse«.
Es handelte sich genau genommen gar nicht um ein Fenster. Dieses Klo war eine Variante mit zwei Löchern an der Seite, ich glaube, um zwei Haken einzuhängen, mit dem man das Ding per Kran transportieren konnte. Ich spähte also durch eines dieser Löcher, weil ich das Motorengeräusch eines großen Wagens gehört hatte, der die Rue Principale entlangfuhr und sich dem Restaurant näherte. Es war eigentlich nicht die Zeit, in der hier Autos vorbeifuhren. Ich beugte mich näher heran zu dem Loch, um mir den Wagen anzusehen. Es war ein Landrover-Kastenwagen, er hielt gerade vor dem Aufgang zum Restaurant. Die Hitze strömte durch das Loch herein und ließ mich blinzeln, als ich hinter der Windschutzscheibe zwei breitkrempige Hüte erkannte. Eine hochgewachsene Gestalt stieg aus, wandte mir den Rücken zu, sprach in den Wagen hinein zu dem Mann, der am Steuer saß.
Mein Herz setzte aus, ich zögerte keinen Moment. Stieß die Tür des Dixie-Klos auf, knöpfte im Loslaufen meine Hose zu. Rannte zu meinem Zelt, sah mich im Laufen um, entdeckte keine Zuschauer. Es blieben mir schätzungsweise fünf, vielleicht auch zehn Minuten. Ich warf mich ins Zelt und griff nach der Plastiktüte mit meinen Klamotten, rollte wieder heraus, riss das Zelt aus den Heringen, warf es zur Seite und pulte den Schädel aus der roten Erde heraus. Steckte ihn zu den Kleidern in die Tüte. Dann sprintete ich los. Über das Gelände des »Yang Tse« rannte ich nach hinten, mitten hinein in die ausgetrockneten Felder und zwischen die ärmlichen Hütten von Novonbashi. Ich wollte vor allem weg von der Hauptstraße. Zum Glück hatte hier niemand an Zäune gedacht. Ich rannte, ohne anzuhalten. Rennen schien mir die emotional passende Bewegungsweise für meinen Zustand.
Ich keuchte in der Hitze, während meine Beine ganz von selbst vorwärtsdrängten. Woran De Vries interessiert war, wusste ich nur zu genau, und hinter wem er her war, auch. Es konnte nur einen Grund geben, aus dem er gekommen war, zusammen mit Wessing natürlich, der den Wagen fuhr. Sie hatten mich aufgespürt, wie auch immer sie es angestellt hatten. De Vries hatte ja auch Duvalle gefunden, und ich zweifelte nicht daran, dass er seine Augen und Ohren überall hatte.
Während mich nacheinander zwei entgeisterte Hunde anbellten, zum Glück beide angebunden, ein Dutzend Hühner beim Davonflattern sehr viel Lärm machten und ich in das erschrockene Gesicht einer Frau schaute, die hinter ihrem Haus irgendetwas werkelte, verfestigte sich im Laufen meine Überzeugung, dass sie mich wahrscheinlich ungerührt aus einem Helikopter geworfen hätten, wenn ich nur die Diamanten dagelassen hätte. Ich kam überhaupt nicht auf die Idee, dass es freundschaftliche Motive sein könnten, die De Vries und Wessing dazu bewegten, auf die Suche nach mir zu gehen. Vielleicht war das ungerecht von mir, aber ich dachte nicht allzu viel nach. Ich rannte, bis ich die Parallelstraße der Rue Principale erreicht hatte, auf der ich mein Tempo verminderte und in gemessenem, unauffälligem Schlenderschritt weiterging, um nicht aufzufallen. Soweit man halt nicht auffällt, wenn man in der Kluft eines chinesischen Kochs auf Strohsandalen durch eine kongolesische Kleinstadt geht. Ich schaute mich ständig um, obwohl ich mir ausrechnen konnte, dass Ah Soo und Lin Tau erst einmal eine Weile im Restaurant nach mir suchen würden, nachdem De Vries nach mir gefragt hatte. Schließlich hatte ich mich als zuverlässig erwiesen, und einfach wegzulaufen, das trauten sie einem wie mir bestimmt nicht zu.
Victors Tankstelle. Dorthin wollte ich. Es war der einzige
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