Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
Vom Netzwerk:
Muscheln fehlen könnte. Für die Dauer einer nicht fassbaren Zeitspanne erlangten der alte Mann, das Huhn und die Handbewegung, mit der er die Muscheln einstrich und auswarf, schicksalhafte Schwere für mich. Ich kam nämlich auf die fixe Idee, dass das Huhn sich plötzlich aufrichten und eine der Muscheln aufpicken könnte, es würde diejenige sein, die mein Schicksal bezeichnete, und zwanghaft dachte ich weiter, dass das auf keinen Fall geschehen dürfe, es mussten sieben Muscheln bleiben, so lange, bis Wessing wiederkäme.
    Das Schicksalshuhn schlief weiter, es blieb die ganze Zeit bei sieben Muscheln, die von der Mumie geworfen und wieder eingesammelt wurden, ohne dass sich die Gestalt umwandte, was mir angesichts meiner Verstricktheit mit ihr ebenfalls Angst eingejagt hätte, obwohl ich zunehmend damit rechnete, dass sie es gleich tun würde.
    Wessing kam zurück. Ich war gerettet. Er schwenkte zwei Papierstapel durch die Luft. Wir könnten gehen, meinte er, er habe alles geregelt.
    Auf der Rückfahrt zum Flughafen schlief ich sofort wieder ein. Ich erwachte erst, den Kopf an Wessings Schulter, als wir angekommen waren. Der schweigende Fahrer hob zum Abschied lässig zwei Finger vom Lenkrad, völlig passend zu seiner Sonnenbrille und zu dem, was er fahrtechnisch draufhatte. Wessing und ich stiegen aus, nahmen unser Gepäck und gingen hinaus auf ein von rotem Sand bedecktes Nebenflugfeld, auf dem große schwarze Raben mit gravitätischen Schritten umhergingen; sie erinnerten auf frappierende Art an Menschen in Gedanken, die ihre Hände hinter dem Rücken verschränken. Die großen Vögel traten nur ungern ein paar Schritte für uns zur Seite, dabei schielten sie beleidigt mit lang bewimperten Augen nach oben, als gehöre das Flugfeld eigentlich ihnen und wir seien bloß geduldet.
    Es war sehr heiß. Als wir zwischen den dicht beieinanderstehenden Sportflugzeugen hindurchgingen, strahlten die Rümpfe Hitze ab, als bewegten wir uns durch einen Toaster. Wessing steuerte zielbewusst auf ein beigefarbenes Sportflugzeug mittlerer Größe zu, das ein Stück abseits abgestellt war. Auf dem Rumpf stand »Cherokee«, in schwungvollen roten Kursivlettern, die mich an den Schriftzug von »Coca-Cola« erinnerten. Im Schatten des Flügels stand ein Mann, er trug einen verwaschenen Camouflage-Anzug und hatte die Arme verschränkt. Als wir näher herankamen, musste ich an einen üblen General aus einem Vietnam-Film denken. Der Mann hatte die Statur eines Schwergewichtsboxers, kurz geschnittenes weißes Haar, ein breites Gesicht mit grauen Bartstoppeln und hielt die Augen zusammengekniffen, als spähe er ständig gegen die Sonne. Er rauchte einen Zigarillo und rührte sich nicht, auch nicht, als wir vor ihm stehen blieben. Wessing legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Bernd, das ist Lars Olson. Lary, das ist Bernd.«
    Olson machte noch engere Schlitze aus seinen Augen und musterte mich ein paar Herzschläge lang, ohne das Ergebnis bekannt zu geben. Dann entknotete er seine Arme und streckte mir die Hand entgegen. Er quetschte schmerzhaft meine Finger, ich war schon darauf gefasst und hielt kurz die Luft an, um nicht aufzustöhnen. Auf Olsons ausgestrecktem Unterarm bemerkte ich eine ungeschickt gestochene, verschwommene Tätowierung. Sie zeigte gekreuzte Säbel, dazwischen zwei Buchstaben, der Rest der blauen Punkte verlor sich unter weißblonden Borsten. Olson ließ meine Hand wieder los.
    »Okay«, sagte er, den Zigarillo im Mundwinkel.
    Als Nächstes deutete er mit dem Kopf in Richtung Flugzeugtür. Ich kam mir vor, als hätte ich bei den Ledernacken angemustert.
    Wir kletterten in das mit Getränkekisten und Pappkartons bis unter das Dach vollgepackte Flugzeug. Ich drückte mich nach hinten zwischen die Kartons, den Aufdrucken nach waren Lebensmittel darin, schnallte mich an und packte mir meine Tasche auf den Schoß. Der Motor startete mit einem spotzenden Knattern, lief nach ein paar Sekunden rund. Es quiekte im Sprechfunk, die verzerrte Stimme einer Comicfigur sagte etwas Unverständliches auf Französisch. Olson knurrte ein paar englische Brocken, dann rollte das Flugzeug zur Piste hinüber, machte einen Schwenk nach rechts und röhrte ohne weitere Umstände los.
    Nach einem kurzen Spurt hoben wir ab. Kaum huschten die ersten Baumwipfel unter uns vorbei, zog Olson das Flugzeug in einer ansteigenden Kurve hoch, bei der es fast auf dem Flügel zu stehen kam, dabei rutschte die gesamte Ladung nach hinten. Man hörte das

Weitere Kostenlose Bücher