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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Lodge lag auf einer gerodeten Grasfläche, ein paar hundert Meter vom Fluss entfernt. Das Gras – wenn man die zwei Meter hohen, messerscharfen Halme so nennen mochte – wurde ab und zu mit einem kleinen Traktor gemäht, es wuchs mit beängstigender Geschwindigkeit nach. Auf der gemähten Fläche hatte man ein kleines Dorf aus Hütten errichtet. Ihre spitzen Grasdächer sollten an ein afrikanisches Dorf erinnern, jedes Haus besaß eine großzügige überdachte Terrasse, die auf Pfosten stand. Das Zentrum bildete die sogenannte Tafel, ein langer, schwerer Tisch für etwa zwanzig Personen; er stand auf einem großen Podest und war dekorativ aus den behauenen Hälften tropischer Bäume gezimmert, mit ebensolchen Bänken daran. Dort traf man sich zum Frühstück und zum Abendessen.
    Das Mittagessen wurde im Schatten großer Bäume als Buffet angeboten, die dafür bestimmten Leckereien hatte ich vor drei Stunden anrichten geholfen. Heute gab es luftgetrockneten Büffelschinken mit Melonenspalten, Avocadohälften mit Limonenvinaigrette und in Zitrone gegartes kaltes Huhn und dazu passende Weine. Unsere Gäste, erkannte ich, hatten die Tafel bereits verlassen, bis jetzt waren es nur drei: das Ehepaar Giuliani aus Florida und eine deutsche Ärztin, Frau Dr.   Decker. Sie bewohnten zwei der fünf Pavillons, je achtzig Quadratmeter groß, innen abgeteilt durch Paravents aus geflochtenem Elefantengras, möbliert mit Mahagonimöbeln; angeblich hatte ein Bautrupp aus Franceville das Ganze vor acht Wochen aufgebaut. Für uns Angestellte standen fünf kleinere Hütten zur Verfügung. Dazu gab es noch das Büro, ebenfalls in einer Grashütte untergebracht, die Küche und eine zusätzliche Toilette am Rand der Lichtung für den Fall, dass jemand nicht seine eigene benutzen wollte.
    Ich blieb auf dem Weg zu meiner Hütte bei einem Termitenbau stehen, zwei Meter hoch, hart wie ein Fels und heiß wie ein Backofen. Während ich mir die Termiten vorstellte, die sich darin unsichtbar und klimasicher in ihren Tunneln hin- und herbewegten, überlegte ich mir, was man Gästen Interessantes über sie erzählen konnte. Dass sie aussahen wie Ameisen, aber eigentlich zu den Heuschrecken gehörten? Dass Termiten Wasser aus dreißig Metern Tiefe mit raffiniert gebauten Leitungen heraufholen konnten? Dass sie sich mit winzigen Spuren aktiver Duftstoffe verständigten, von denen ein Milligramm ausreichen würde, um einen Termitenpfad um die ganze Erde zu legen?
    Spannend, aber sicher nicht spannend genug. Nicht für Gäste, die dafür zweitausend Dollar am Tag bezahlten. Man konnte die Viecher ja nicht einmal vorzeigen. Sie bewegten sich aus guten Gründen immer in Tunneln. Man hätte so einen Tunnel aufbrechen müssen, um sie zu Gesicht zu bekommen und ihnen dabei zusehen zu können, wie sie ihn in zehn Minuten wieder reparierten. Außerdem, da machte ich mir keine Illusionen: Die meisten Menschen finden Insekten ekelhaft bis uninteressant, Männer gehören eher zur letzteren, Frauen zur ersteren Fraktion.
    Ich verließ den Termitenbau und schlenderte weiter durch das von nachmittäglichem Summen und Zirpen erfüllte Gras. Dabei sind Insekten eigentlich viel interessanter als Wirbeltiere. Würde man sie eines fernen Tages auf einem anderen belebten Planeten entdecken, würde man sagen: Aha, so geht es also auch, eine völlig andere Sorte von Lebewesen, sehr fremdartig, aber immerhin haben sie Gene, und sie entstehen aus Eiern, das ist aber auch alles, was sie mit uns gemeinsam haben.
    Bei meiner Hütte angekommen, bestieg ich das dazugehörende Podest und öffnete meine Haustür. Die Hütten für die Angestellten besaßen keine Veranda und auch keinen Spa-Bereich, wie die der Gäste, aber immerhin gab es eine Duschkabine. Ich wusste das zu schätzen. So luxuriös hatte ich lange nicht gewohnt; wenn ich ehrlich war, eigentlich noch nie, außer bei Lea.
    Weil mir die Insekten noch durch den Kopf geisterten, war ich wieder einmal froh über das Holzpodest, auf dem der kleine Pavillon stand, und über den übersichtlichen hellen Lehmboden, den ich gerade sorgfältig musterte, um festzustellen, ob ein schädliches Kerbtier seinen Weg in meine Hütte gefunden hatte. Es gab Fliegengitter an den beiden Fenstern, aber man konnte nie wissen. Ich wusste, wozu Insekten fähig waren. Ich legte mich also flach und spähte unter das Feldbett, hob das Moskitonetz ein Stück in die Höhe.
    Alles in Ordnung. Ich zog mein Hemd aus und hängte es über einen Bügel,

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