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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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ich.
    Sie antwortete nicht. Das Husten kam wieder. Wenn man von einem Husten sagen kann, dass es Größe besitze, dann war das dort draußen ein ziemlich großes, beunruhigendes Husten.
    »Mach die Scheinwerfer an«, sagte Sumire über mir. »Der Knopf links neben dem Lenkrad, weißt du doch.«
    Ich schaltete die Scheinwerfer ein. Vor dem Lastwagen standen drei Löwen. Sie hatten die Köpfe in unsere Richtung gedreht, ihre Augen leuchteten rot, und sie kamen mir enorm groß vor. Einer der Löwen besaß eine Mähne. Eine nasse Mähne. Sie verharrten ein paar Sekunden wie Standbilder, lang genug, dass mein Herz wieder zu schlagen anfing. Dann setzten sie sich in Bewegung und trotteten, drei nasse Löwen, zurück in die Savanne.
    Am nächsten Tag erreichten wir Daressalam. Wir rollten auf einer vierspurigen Straße durch großstädtischen Verkehr in die Metropole hinein. Flotte Autos surrten an uns vorbei, auch viele Lastwagen waren unterwegs. Gleich vier davon standen an der roten Ampel für Rechtsabbieger, wo es zum Hafen ging. »Port« stand auf einem Schild neben der Ampel, ein stilisiertes Schiff darunter. Die übrigen Verkehrsschilder waren ausnahmslos in einer mir unverständlichen Sprache beschriftet. Swahili, teilte Sumire mir mit. In Tansania spreche man nicht Englisch. Das gelte nicht als angebracht.
    »Araber«, sagte sie. »Es sind Araber. Arrogant bis in die Knochen. Aber das Meer ist schön.«
    Man konnte das Meer noch nicht sehen, es wurde von öden Industriebauten verdeckt, hinter ihnen konnte man aber bereits die Aufbauten von Schiffen erkennen, die in den Docks lagen, und die stählernen Gerüste von Verladekränen.
    Sumire war heute früh ziemlich einsilbig gewesen. Nach dem, was letzte Nacht zwischen uns vorgefallen war, hätte ich mir mehr Vertrautheit vorstellen können. Eben noch hatten wir an einer Tankstelle gefrühstückt, Kaffee und Kekse. Auch diese Tankstelle gehörte zu ihrem »Business«, wie sie es nannte. Sie hatte mit dem Betreiber eine Weile geschäkert, ich durfte solange Getränke bunkern, dann waren wir losgefahren. Sumire hatte gleich das Radio eingeschaltet, sie kurbelte am Lenkrad, sah in den Rückspiegel, fluchte aus dem offenen Fenster hinaus über die Dummheit tansanischer Wagenlenker. Sie war vollauf mit Fahren beschäftigt.
    Die Ampel sprang wieder auf Rot. Zwei Laster vor uns fuhren noch durch, die dadurch blockierten Verkehrsteilnehmer hupten empört. Sumire trat auf die Bremse, hielt an.
    »Du kannst hier raus«, sagte sie.
    Ich dachte, ich hätte nicht richtig gehört.
    »Nimm deine Sachen«, sagte sie. »Geh schon. Und pass auf dich auf.«
    Sie hatte Arm und Haken über das Lenkrad gelegt, die Lippen gekräuselt und starrte aus dem Fenster nach vorn. Schaute mich nicht an.
    »Ich mach mir nichts aus Männern«, setzte sie hinzu. »Hab ich dir doch gesagt, oder?«
    Die Ampel sprang auf Grün.
    Sumire stieß mir die gesunde Faust gegen die Schulter. »Hau schon ab.«
    Hinter uns hupte es. Ich riss die Tür auf.
    »Danke!«, rief ich. »Für alles!«
    Sumire legte den Gang ein, das Gesicht noch immer in Fahrtrichtung, als müsse sie ihre ganze Aufmerksamkeit dorthin richten. Hinter ihr mehrstimmiges Hupen. Der Lastwagen rollte an, als ich vom Trittbrett sprang, sein ausgedienter Motor rasselte los, das Gefährt rollte die Straße hinunter. Ich stand am Straßenrand in der Sonne und schaute ihr nach, schmeckte Staub. Das himmelblaue Blech, die geflickte Plane. »Dieu est juste« darauf gesprüht. Erst als der Lastwagen sich im Flimmern der heißen Luft aufgelöst hatte, drehte ich mich um und ging an der Straße entlang. Ich ging den Weg zurück, den wir gekommen waren.
    Zuerst wollte ich das Konsulat aufsuchen. Nein, nicht zuerst. Etwas anderes war dringender und musste erledigt werden, nach Möglichkeit, bevor es Mittag war. Ich hatte noch vierzig Dollar in der Tasche, mehr, als ich brauchen würde. Es gab hier keinen Schatten außer unter den Vordächern der Gebäude, die entweder dem Wellblech-und-Beton-Typ oder dem Bambus-und-Strohmatten-Typ angehörten. Und alles, was nach Industrie und Produktion aussah, wo also vielleicht etwas zu holen gewesen wäre, hatte man eingezäunt und mit Stacheldrahtrollen garniert. Wieder einmal hätte ich mir einen Hut gewünscht. Ein Zweiwochenbart ist kein Ersatz für einen Hut.
    Zunächst trabte ich die glühend heiße Straße wieder zurück, bis ich den Boulevard erreicht hatte, von dem ich vorhin mit Sumire abgebogen war. Dort gab

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