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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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ausgewaschen, und meinen hier total deplatzierten Schnürstiefeln konnte ich ja vielleicht als westlicher Rucksacktourist durchgehen.
    Ich wandte dem Publikum den Rücken zu, während ich mich an meiner Schachtel zu schaffen machte. Nachdem ich ihn ausgepackt hatte, starrte mich der nackte Affenschädel mit seinen leeren Augenhöhlen an. Abgesehen von einer leicht muffigen Aura stank er kein bisschen mehr, und noch immer klapperte es darin vielversprechend. Ich legte ihn in den Pappkarton und stopfte den Karton anschließend mit der gekauften Zeitung aus, die ich Bogen für Bogen zerknüllte. Was ich davon nicht brauchte, warf ich in einen der Papierkörbe. Nun brauchte ich noch Klebestreifen. Vielleicht konnte man mir am Schalter weiterhelfen.
    Ich stellte mich in die Schlange. Dort war nur eine alte Dame vor mir, die sehr viel redete – es klang wie der zusammengefasste Bericht über die bedeutsamen familiären Ereignisse der vergangenen zwei Jahre – und nebenbei ihre Briefe abfertigen ließ. Der alte Mann am Schalter antwortete ihr nicht, sondern ließ den Stempel in behördlicher Endgültigkeit nacheinander auf die Briefe knallen, dann war ich dran. Ich stellte mein Paket auf den Schalter, sagte meinen Spruch, aber hier funktionierte mein Englisch zum ersten Mal nicht. Der diensttuende Beamte knurrte zum Auftakt etwas Fragendes in einer kehligen Sprache, Swahili vermutlich, vielleicht traf er auch eine kritische Feststellung. Ich hatte nur noch zwanzig Dollar, ich musste haushalten. Hier war es vermutlich nicht angebracht, einen Bestechungsversuch zu unternehmen.
    So stand ich da, wohl wissend, dass ich Schwierigkeiten verursachte, und hörte seiner Klage zu, denn dass es eine Klage war, konnte ich auch ohne Übersetzung aus der Intonation heraushören. Ich stand also da und hob ab und zu die Schultern, um für mein Erscheinen und die damit verbundene Unbill um Verzeihung zu bitten. Nachdem der Mann eine Weile geklagt hatte, stieß er die Hände ein paarmal seitlich weg vom Körper, wie um sich Luft zu verschaffen in einer Umgebung voller Misshelligkeiten, dazu sagte er wiederholt zwei Worte, die vielleicht eine islamische Anrufung waren, der Name »Allah« klang jedenfalls darin an. Die Anrufung war nicht vergebens. Nachdem er verschwunden war, ersetzte ihn nach kurzer Zeit eine junge Frau, die mich charmant anlächelte und in lupenreinem Englisch fragte, was sie für mich tun könne.
    »Ich möchte dieses Paket nach Deutschland schicken«, sagte ich. »So schnell es geht.«
    Die hübsche Postbeamtin stöckelte zum Nachbarschalter und kam mit einer Tabelle zurück. Sie fuhr mit dem Finger darauf entlang.
    »Deutschland. Das ist richtig«, bestätigte sie die Existenz meines Heimatlandes.
    »Was kostet es?«, fragte ich.
    Sie nannte mir einen Betrag in der Landeswährung. Ich hob die Schultern und sagte mit dem jungenhaftesten Lächeln, das ich zustande brachte, ich wäre gerade vom Schiff gekommen und wollte das Paket rasch abschicken. Ich hätte keine Zeit mehr gehabt, eine Bank aufzusuchen. Ob sie, fragte ich, bei meinem Lächeln bleibend, in ihre groß gewordenen Augen hinein, ob sie ausnahmsweise zwanzig Dollar annehmen wolle. Den Rest dürfe sie gerne behalten. Sie würde mir damit aus einer wirklichen Verlegenheit helfen, denn mein kleiner Sohn, fügte ich hinzu – er wäre jetzt gerade vier Jahre alt geworden –, freue sich so auf das Paket, und auf dem Schiff würde ich eine Woche lang wieder keine Gelegenheit haben, es abzuschicken. Sein Geburtstagsgeschenk. Wir liefen in einer halben Stunde aus.
    »Okay«, sagte sie, den letzten Vokal ließ sie etwas ansteigen.
    Ihre Augen blieben groß. In einem mehr amtlichen Tonfall erklärte sie mir, dass zwanzig Dollar zu viel seien. Umgerechnet koste es bei Expressversand ungefähr – einen Augenblick, also etwa acht Dollar fünfzig. Das Paket brauche bei diesem Tarif zwei Tage bis nach Deutschland. Ich legte einen Zehn-Dollar-Schein auf die Theke. Sie nickte dienstlich. Sie werde mir den Restbetrag in der Landeswährung auszahlen. Ich machte eine anerkennende Miene zu so viel Korrektheit und fügte ein dankbares Lächeln hinzu, ohne jede Komplizenschaft. Mit diesem Gesichtsausdruck bat ich sie, mir noch Klebestreifen zu geben, wenn es ihr nicht zu viel ausmache. Sie verließ den Schalter und besorgte einen Klebestreifenspender, den sie mir durch den Paketschlitz hindurch zuschob. Mein dankbares Lächeln ignorierte sie, vielleicht hatte ich ihr

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