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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Entgegenkommen schon überstrapaziert.
    Als das Paket zugeklebt war, bekam ich ein Formular unter der Scheibe durchgereicht. Die Adresse und den Inhalt müsse ich angeben. Ich erstarrte. Welche Adresse sollte ich angeben? Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Bei Lea in der Bleibtreustraße war ich noch gemeldet. Aber Lea würde das Päckchen garantiert in die Mülltonne stecken. Alle anderen Leute, die ich kannte, einschließlich meiner Eltern, wollte ich in meinen neuen Reichtum vorläufig nicht einbeziehen. Das zweite Problem, das mich kalt anrührte, während der Kugelschreiber in meinen Fingern zwei Zentimeter über dem Papier schwebte und die hübsche Postangestellte tief und hörbar hinter der Glasscheibe eingeatmet hatte, war der Zoll. Das Artenschutzabkommen. Schon wegen einer am Strand gefundenen Muschel konnte man ja Probleme kriegen. Aber es gab kein Zurück. Die junge Frau in der weißen Bluse und dem blauen Rock schaute mich mit einem Blick an, der mir sagte, dass sie genug für mich getan und noch anderes zu verrichten habe. Ich musste handeln.
    »Bernd Jesper, c/o Firma Klemm, Berlin-Britz« schrieb ich auf das Formular, Zehntausendirgendeine Berliner Postleitzahl dazu. Da konnte nicht viel passieren. Der Zusteller in Berlin würde wissen, wo Britz lag. Absender: »B. Jesper, Berlin«, Phantasiestraße. Ich bekam ja eine Sendungsnummer, das Paket konnte also nicht verloren gehen. Aber was sollte ich zum Inhalt schreiben? Vor meinem inneren Auge tauchte ein Zöllner auf, der das Paket öffnete, Stichprobe. Den Schädel auspackte, ihn stirnrunzelnd ansah und anschließend in die Kiste warf, in der schon die Leopardenfelle, das Nashornpotenzpulver und die Schildkrötenpanzer vor sich hin stanken, und weg wäre er.
    Die Postangestellte klopfte einen leisen Rhythmus mit ihren perfekt lackierten Fingernägeln auf die Theke. Da fiel mir mein Sohn wieder ein, der auf das Paket wartete, mein kleiner Sohn, mit dem ich ihr Herz zumindest vorübergehend erreicht hatte. Ich setzte den Stift auf das Formular. »African Toy« schrieb ich darauf. Wert: »Ein Dollar«.
    Der letzte Zehn-Dollar-Schein brachte mich per Taxi in einer halben Stunde zum deutschen Konsulat. Es befand sich in einem eindrucksvollen futuristischen Glaspalast, nicht weit vom Meer gelegen, und war umgeben von modernen Geschäftsgebäuden. Securitykräfte in Phantasieuniformen, die sie aussehen ließen wie amerikanische Fensterputzer, patrouillierten grüppchenweise um das Ensemble. Ich betrat das Gebäude durch eine schwere Glastür und wurde von einem Uniformierten gefragt – auf Englisch –, was ich wolle. Dabei beäugte er mich kritisch, sein Blick blieb für zwei Sekunden an meinen Stiefeln hängen, ehe er mir wieder ins Gesicht sah. Ich wusste, was ich wollte.
    »German Consulate«, sagte ich, mit einer gewissen Hochnäsigkeit, die ihm meine dandyhafte Gleichgültigkeit gegen die verdächtigen Stiefel vermitteln sollte. Der Uniformierte hatte keine Einwände, er fühlte sich vielleicht nach meiner Mitteilung schon nicht mehr zuständig für meine Belange. Er wies stumm auf den Aufzug und entfernte sich, die Daumen in seinen Gürtel eingehakt. Ich fuhr hinauf in den dritten Stock.
    Im Büro des Konsuls trug ich einer freundlichen Dame mein Anliegen vor, erhielt ein Blatt Papier und einen Stift und durfte das eben Gesagte noch einmal schriftlich festhalten. Die Klimaanlage klapperte mir eine halbe Stunde lang etwas vor, ehe die nette dunkelhäutige Dame wieder im Wartezimmer erschien und mir auf Deutsch bedeutete, der Herr Konsul wünsche mich jetzt zu sprechen.
    Der Konsul bat mich herein, schüttelte mir die Hand und bot mir anschließend einen Sessel an. Ich ließ mich darauf nieder und bemühte mich um das Grinsen eines schuldlos gestrandeten Abenteurers. Meine Kleidung und mein Aussehen ließen nichts anderes zu: Ein Raubein mit Manieren wollte ich geben. Ob mir die Vorstellung gelang, weiß ich nicht. Der Konsul, der auf mich wirkte, als habe er keine Lust auf Reibereien, hörte sich meine Geschichte an, ab und zu warf er einen Blick auf seine Unterlagen.
    Ich erzählte ihm die Motorradversion, die ich schon den Chinesen angetragen hatte. Zuerst dieser Überfall im Kongo, in einer Stadt namens, Moment – ja: Trouville. Geld, Papiere, alles weg. Dann ein freundlicher Lastwagenfahrer, der mich mitnahm, auf der Fahrt dann der Ausbruch meines schlimmen Fiebers. Es gäbe Tage, die mir krankheitsbedingt fehlten, wir waren eben immer nur

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