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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Kopf mit der eng anliegenden Kappe ihrer schwarzen Haare, hörte sie beim Fahren leise vor sich hin singen. Unter dem Nageln des Dieselmotors glitt an den Fenstern die Savanne vorbei, endlos, immer gleich. Die Hitze unter dem Dach stieg tagsüber backofengleich an, bis sie wieder abfiel, wenn die Sonne sich senkte. Nachts standen wir irgendwo am Straßenrand, ich schlief oben, Sumire unten auf den Sitzen.
    »Du bist erkältet«, war Sumires Diagnose.
    Es musste irgendein Virus sein, ein tückischer Erreger, der auf mich gewartet hatte, um mir vorzuführen, wie ich mich eines Tages als Neunzigjähriger fühlen würde. Mit Mühe konnte ich meine Notdurft am Straßenrand verrichten. Sumire musste mir danach helfen, wieder in den Wagen zu steigen.
    »Vielleicht ist es dein Dingsda. Dein Andenken«, sagte sie an meinem zweiten Krankheitstag. »Wirf es weg.«
    Ich protestierte matt mit ausgestreckten Händen. Mir liege unendlich viel an dem Schädel, beteuerte ich, und wie wertvoll das Material sei. Einmalig, ein Schatz, ein biologisches Kleinod. Ich hörte erst auf, als sie versprach, sie werde ihn in Ruhe lassen.
    »Es tut dir nicht gut«, stellte sie fest. »Ich weiß das.«
    Dann kam der Durst. Ich schwitzte und träumte von Finnland, wo ich mit Lea einmal Urlaub gemacht hatte. Lea wollte nach Helsinki reisen, wegen der tollen Kaurismäki-Filme, die wir zusammen gesehen hatten, und nach Sankt Petersburg wollte sie auch, weil das direkt danebenliegt. In meinem Traum war es sehr kalt, mein Sensorium drehte mal wieder die Temperatur um. Ich war in Helsinki, aber Lea war seltsamerweise nicht dabei. Ich saß im »Kapelli«, in der Bar, in der wir damals ein paarmal gewesen waren. Ich saß ganz allein an meinem Tisch im Lokal, um mich herum eine große Zahl trauriger Finnen, die alle mit dem Gesichtsausdruck, den die Schauspieler in Kaurismäki-Filmen meistens haben, schweigend in ihre Ein-Liter-Plastikbecher starrten, in denen sich Dünnbier mit einem Alkoholgehalt von eineinhalb Prozent befand. Ständig gingen welche zur Toilette. Sie mussten dauernd Bier nachtrinken, um den Blutalkohol zu erreichen, den man in Finnland braucht – aus verschiedenen Gründen, über die man in den Filmen von Kaurismäki einiges erfährt –, aber das ist wegen des niedrigen Alkoholgehalts und der beschränkten menschlichen Nierenleistung nicht so einfach. Deshalb wahrscheinlich dieser Gesichtsausdruck. Die Plastikbecher mit dem gelblichen Spiegel darin sahen jedenfalls ein bisschen so aus, als sitze jeder Finne vor seiner eigenen Urinprobe. Ich hätte auch gern etwas getrunken in meinem Traum, aber man bediente mich nicht, ich bekam kein Bier, und ich konnte kein Finnisch.
    Als ich aufwachte, trank ich noch eine Flasche Evian in einem Zug aus, ich hätte auch eine zweite getrunken, aber Sumire meinte, das reiche fürs Erste, und schickte mich wieder nach oben.
    Sie fuhr den Laster die ganze Zeit allein. Ich war zu nichts zu gebrauchen. Wenn ich Hunger hatte, fütterte sie mich mit Keksen, lappigem Toastbrot und Kartoffelchips. Einmal bekam ich dünne, scharfe Würstchen aus einer Kunststoffpackung, die ausgesprochen ekelhaft schmeckten. Sie holte die Sachen in den Tankstellen, an denen wir Sprit aufnahmen, und erzählte mir, dass sie nur solche Tankstellen ansteuere, mit der die Gesellschaft einen Vertrag unterhielt. Dort nahm sie Lebensmittel und Getränke mit, deponierte oder holte Bargeld.
    »Das machen wir alle so«, sagte Sumire. »In einem Lastwagen ist kein Geld. Lohnt nicht, ihn zu überfallen. Passiert aber trotzdem.«
    Sumire aß jeden Tag zweimal ihre Maniokpaste. Sie kombinierte das Zeug mit allem. Ob es Frankfurter Würstchen aus dem Glas waren oder Schokoriegel, sie schwor darauf. Und sie blieb eigensinnig dabei: Ich wäre nicht krank geworden, wenn ich auch Funje gegessen hätte. Ich widersprach ihr nicht, schon aus Schwäche.
    Am Abend des dritten Tages ging es mir besser. Ich konnte während der Fahrt für eine Stunde neben Sumire auf den Beifahrersitz herunterkommen. Und ich bekam Appetit. Großen Appetit. Ich aß alle Kekse auf, die noch da waren, und auch alle Erdnussriegel, trank dazu vier Dosen Cola. Danach fühlte ich mich noch besser.
    »Hier leben Massai.« Sumire zeigte aus dem Fenster hinaus auf die gelbe Savanne. Die Abendsonne zog lange Schatten aus den Büschen. »Sie sind sehr stolz, die Massai. Und ziemlich dünn.«
    Sie warf mir einen Blick zu.
    »Du musst mehr essen, Bernd«, sagte sie. »Du siehst nicht

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