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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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mich unter die Dusche. Und hatte ein grandioses Gefühl von Luxus, während mich die Brause verschwenderisch mit Wasser versorgte; ich brauchte die ganze Seife in dem bereitstehenden Fläschchen auf. Ich dachte an den Dschungel, in dem unser verlassenes Flugzeug stand und weiter stehen würde, bis es in hundert Jahren verrottet wäre, dachte an den Durst und an die Verzweiflung, die ich gefühlt hatte, als ich mir das gelbe Sumpfwasser in der Plastikflasche mit den darin treibenden Teilchen angesehen hatte, das wir beinahe getrunken hätten. Und genoss es, Wasser zur Verfügung zu haben, Wasser ohne Ende, ich feierte ein Wasserfest.
    Dann legte ich mich auf das frisch bezogene Bett und schlief zehn Minuten später ein. Als ich aufwachte, war es dunkel, und ich erschrak furchtbar, weil ich dachte, ich hätte meinen Flug verpasst. Es war aber erst acht Uhr abends, das zeigte mir das Fernsehgerät an, das ich geistesgegenwärtig einschaltete. Während ich mich durch die Programme zappte, versuchte ich, nicht wieder einzuschlafen. Ich löste das Problem schließlich so, dass ich den Fernseher so laut wie möglich stellte und » CNN News« laufen ließ. Dort wechselte immer wieder das Programm, und ein neuer Sprecher wurde zugeschaltet, und das, hatte ich mir überlegt, würde mich wach halten. Der Schlaf suchte mich trotzdem heim, was gerade in der Welt geschah, rüttelte mich nicht auf. Als ich das nächste Mal aufwachte, war es Mitternacht. Nun wollte ich kein Risiko mehr eingehen. Ich rief bei der Rezeption an und bat darum, mir ein Taxi zu rufen. Der Nachtwächter verstand Englisch.
    »Ten minutes«, sagte er.
    Der Flughafen von Daressalam muss eigentlich nicht beschrieben werden. In der Halle, in der es um diese Zeit sehr ruhig war, schlief ich noch einmal drei Stunden. Ich schlief wie in Abrahams Schoß, weil ich mich so sicher fühlte wie lange nicht mehr. Ich fühlte mich aufgehoben in der Zivilisation, umgeben von funktionierender Technik, von Klimaanlagen, Espressomaschinen, Getränkekühlern, Staubsaugern und Computern; die mit dem Nachtdienst besetzten Terminals erschienen mir wie gut geführte Krankenstationen, die mein Wohl im Auge hatten. Alles um mich herum war mit dem Ziel konstruiert, gebaut und in Gang gehalten, für mein persönliches Wohlbefinden zu sorgen. Ich war von Mauern umgeben, von Zäunen, wurde von Sicherheitskräften bewacht, ich war wieder, was ich gewesen war, ein Konsument. Im Halbschlaf hörte ich, wie die Flugzeuge draußen starteten und landeten, wusste, dass jedes von ihnen alle paar Stunden überprüft wurde, dass Fliegen sicherer war, als die Toilette aufzusuchen, statistisch gesehen jedenfalls. Wie ich im Konsulat ein Wasserfest gefeiert hatte, feierte ich nun eines der Sicherheit. Ich hätte in diesem Flughafen vierundzwanzig Stunden schlafen können. Es traten demnach auch keine bedeutsamen Ereignisse mehr ein. Außer einem.
    Als mein Flug aufgerufen wurde und ich zur Leibesvisitation schritt, Gepäck hatte ich ja keines, da begegnete ich einem Putzmann, an sich nichts Außergewöhnliches. In allen Flughäfen der Welt gibt es ja solche Leute in auffallenden Kostümen, in diesem Fall rot-gelb, die den Boden putzen, Trolleys zusammenschieben, auf herrenloses Gepäck achten. Manchmal schleichen sich vielleicht Terroristen in ihre Reihen ein, aber ich gehe davon aus, dass das genau überprüft wird. Ich ging also zum Kontrollschalter, da begegnete mir dieser Mann. In einem rot-gelben Overall mit Kapuze, ich sah ihn zuerst nur von hinten. Er war klein, trug einen blauen Plastikeimer und einen Feudel. Keinen runden Eimer, der Eimer hatte eine rechteckige Öffnung, passend für den rechteckigen Feudel, das weiß ich noch genau. Ich sah den Mann, wie schon erwähnt, zuerst nur von hinten. Als ich ihn bemerkte, ich weiß nicht, weshalb ich ihn überhaupt bemerkte, aber damit fing es schon an, als ich ihn also bemerkte, blieb er stehen. Als habe er darauf gewartet, dass ich ihn bemerke, und als bliebe er stehen, damit ich an ihm vorbeimusste. Ich überholte ihn, den stehen gebliebenen klein gewachsenen Mann im rot-gelben Overall, und er wandte mir sein Gesicht zu.
    Ich glaube, wenn ich in diesem Moment vom Sicherheitspersonal beobachtet worden wäre, hätte man mich umgehend festgenommen. Ich warf die Arme hoch und zog die Luft ein, mein vegetatives System zündete unmittelbar die dritte Stufe für einen Panikanfall. Das Gesicht unter der gelben Kapuze: ein zusammengeknüllter Putzlumpen.

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