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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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nahm mir stattdessen eine Zeitung. Leider sah ich den Kilimandscharo nicht, wir flogen in der nächtlichen Finsternis an ihm vorbei.

SIEBZEHN
    Um zehn Uhr abends landete das Flugzeug in Tegel.
    Nach zweimaligem Umsteigen in Transitflughäfen war ich hundemüde. Ich nahm eine S-Bahn nach Charlottenburg, stieg am Savignyplatz aus und steuerte auf die Bleibtreustraße zu. Automatisch wahrscheinlich, mein halb bewusstloses Ich strebte dorthin, wo ich mal zu Hause gewesen war. Zu spät, um nach Britz rauszufahren und zu Klemm zu gehen, das musste bis morgen warten.
    Die ganze Zeit über dachte ich darüber nach, ob das Paket schon hier sein konnte. Womöglich war es gar im selben Flugzeug gereist wie ich. Durchaus möglich, wenn die Expresspost in Daressalam ihren Namen verdiente. Vor Leas Wohnung fand ich mich wieder, ich war erstaunt darüber, aber ich stand mitten in der Nacht dort und las ihren Namen, der auf dem schicken Messingschild eingraviert war, und sah mir den Klingelknopf daneben an.
    Und sagte zu dem Klingelknopf: »Hör zu Lea, die Dinge haben sich geändert. Ich habe mein Glück gemacht in Afrika. Ich werde jetzt zügig darangehen, meine Promotion abzuschließen, und ein geordnetes Leben beginnen, und zwar am liebsten mit dir. Darf ich dich zum Frühstück ins Kempinski einladen? Oder gleich daneben ins Savoy? Das Buffet haben wir doch schon ein paarmal durch die Fenster bewundert, du erinnerst dich doch bestimmt.« Lea antwortete mir nicht. Sie schlief noch. Vielleicht nicht allein, sagte ein Dämon in meinem Ohr. Seltsamerweise, fiel mir gerade ein, hatte es von ihr in letzter Zeit keine Kommentare mehr gegeben, die Lea-Welle sendete nicht mehr. Ich starrte auf den blanken runden Klingelknopf, mein Gehirn war leer, vielleicht vom Schlafentzug.
    Da erschien plötzlich ein kleines Bild auf der Klingel. So klein, wie man es durch den Spion in der Wohnungstür sehen kann, wenn man auf den Hausflur hinausguckt, klein und verzerrt, wie durch ein umgedrehtes Fernglas, aber gestochen scharf. Das Guckloch zeigte mir Lea im Nachthemd, die Haare standen wie eine schwarze Explosion um ihren Kopf, ihre Hände fuchtelten hin und her. »Hau ab«, sagte die winzige Lea. »Ich mach mir nichts aus dir. Hab ich dir doch gesagt!« Es klang wie das Piepsen einer Zwergin.
    Ich wandte mich ab, trottete die Straße hinunter, meine Plastiktüte in der Hand, in der Tasche noch sechzig Euro.
    Ich ging Richtung Stadtschloss. Da wollte ich schlafen, auf einer Bank oder auf dem Gras im Park. Mir waren die vielen Penner eingefallen, die ich dort schon gesehen hatte, die wussten, wo es gemütlich war. Nach einer halben Stunde war ich am Schloss. Ich fand auch eine freie Bank, und es war durchaus gemütlich darauf. Unter dem Zirpen der heimischen Grillen schlief ich sofort ein, abgesehen von der geringeren Lautstärke unterschieden sie sich nicht von den afrikanischen.
    Bei Tagesanbruch erwachte ich nach einem traumlosen Schlaf vom Gesang der Vögel in den Bäumen. Ich blieb noch eine Weile liegen, bis die ersten Besucher eintrudelten, dann ging ich frühstücken. Ich schlenderte Richtung Kantstraße, dort wollte ich in einem der netten Berliner Trottoircafés frühstücken, die um diese Zeit schon aufhatten. Ein Frühstück mit Schrippen, Butter, Marmelade und Honig aus dem Topf. Mit einem genau richtig gekochten weichen Ei, einem danebengestellten kleinen Salzstreuer und mit einem Kännchen prima Bohnenkaffee.
    Als das Frühstück kam, fast genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte, nahm ich es andächtig zu mir und aß alles restlos auf. Voller Ehrfurcht vor dem in Berlin gebackenen Brötchen, der heimischen Butter und Marmelade und vor dem wahrscheinlich auch in Berlin und Umgebung gelegten Ei, das mir vor Augen führte, dass ich die Begegnung mit Hühnern nicht mehr fürchten musste. Hühner, dachte ich, während ich die Kaffeetasse leerte, waren keine magischen Tiere, die Schicksalsmuscheln vom Boden aufpickten und einem zu den seltsamsten Gelegenheiten über den Weg liefen. Sie waren Kosmopoliten. Kein Land, in dem sie nicht gebraucht wurden. Ich war sicher, dass selbst die Inuit Eier importierten.
    Inzwischen war das Viertel zum Leben erwacht. Ich ging die Straße hinunter und überlegte, ob ich mir ein Taxi nach Britz leisten sollte. Warum auch nicht? In ein paar Tagen würde ich um schätzungsweise fünfzig- bis sechzigtausend Euro reicher sein. Die Tage bis zur Auszahlung der Summe konnte ich ja hier draußen nächtigen

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