Gabun - Roman
genau, dachte ich, dass Fox sich nur für sie so produziert. Je weniger beeindruckt sie sich zeigte, umso mehr gab er an. Ein Traumpaar eigentlich.
Ich schob etwas Lauch auf meine Gabel, trank noch einen Schluck Wein, den letzten, schwor ich mir. Der Holzton in meiner Nase wich dem Aroma des Chablis. Dynamit, dachte ich noch einmal entsagend. Ein Küchenmönch, Ze Zés Bruder im Zölibat. Und fand es eigentlich erleichternd, nicht gegen Fox oder Farouk um Felicités Aufmerksamkeit kämpfen zu müssen, sie war einfach zu schön, jedenfalls für mich.
Ich genoss es, Felicité ab und zu anzusehen. Und schielte noch einmal unauffällig hinüber zu ihr. In dem ausgeschnittenen Etuikleid kam mir ihre Haut so glatt vor wie die auf einem gestürzten Pudding. Wäre ich ein Koi gewesen, ich hätte mit dem Küssen nicht gezögert. Ich schaute lieber wieder weg und blickte stattdessen auf den letzten Hauch Orange, den die Nacht in die Baumkronen herunterdrückte. Fox’ Worte trieben an mir vorbei. Die Abendtafel mit ihren Papierlaternen sah vor der Schwärze des Urwalds jetzt so aus, als wäre ein Sternbild auf die Lodge heruntergefallen.
Das leise Geplauder ließ mich in meinen Gedanken versinken. Wollte ich »es« etwa auch wissen? So wie Fox? Und was war mein »Es«? Sollte man überhaupt versuchen, ein »Es« zu entschlüsseln, und war »Wissen« dafür der richtige Weg – oder einfach handeln? Da beugte sich Farouk, er saß mir direkt gegenüber, über den Tisch und fixierte mich mit seinen vollkommen schwarzen Augen, bei denen man Iris und Pupille kaum unterscheiden konnte – so etwas sieht bedrohlich aus –, und sagte ziemlich laut:
»Ich wollte immer schon mal wissen, was an Ameisen eigentlich so interessant ist.«
Mein Denken, das gerade noch vom abendländisch-christlichen Weg zum buddhistischen hatte abbiegen wollen, vollführte eine Vollbremsung. Farouks Frage, die keine Frage war, hatte die Tischgesellschaft zum Verstummen gebracht. Was war schon so interessant an Ameisen? Das gemütliche Kissen aus Chablis und afrikanischer Nacht war weggerutscht. Farouk wollte mich vorführen, ein Duell unter Biologen anzetteln, er wollte mich zur Ameise degradieren. Nach zwei Gläsern Chablis und vor den Augen der schönsten Frau, die mir je begegnet war.
Ich spürte, wie sich eine Panikattacke anbahnte, aber ich antwortete ihm. Ich sagte, dass Ameisen schon deshalb bemerkenswert wären, weil sie genauso schwer wiegen würden wie die gesamte Menschheit. Ich hoffte, dass ich auf Englisch das Wortspiel nicht verpatzte. Man schaute weiter in meine Richtung. Fox kaute mit vollem Mund, war noch in der Pause, also musste ich reden.
»Es gibt ungefähr sechs bis sieben Milliarden Menschen«, sagte ich. »Und vermutlich bis zu zehn Billiarden Ameisen. Wenn ein Mensch das Gewicht von einer bis zwei Millionen Ameisen hat, das kommt etwa hin, dann wiegen Menschen und Ameisen etwa gleich viel.«
Alle lachten. Ich hoffte, dass ich jetzt Ruhe haben würde.
»Okay. Und was hast du erforscht an den Ameisen?«
Farouk ließ nicht locker. Dabei hatte ich ja kaum etwas erforscht. Ich hatte unzählige Downloads gemacht und Texte gesammelt wie ein Messie Pizzakartons.
»Ich habe versucht herauszubekommen, worin ihre Moral besteht.«
Ich wagte einen Blick in die Runde. Fox grinste, Felicité nippte selbstvergessen an ihrem Glas, Ze Zés Augen lösten sich nahezu hörbar von ihren Lippen und wanderten in meine Richtung. Die Giulianis, schon leicht betrunken, lächelten mir zu, in vorweggenommener Vergebung. Ich schaute konzentriert auf einen Punkt zwischen Farouks Augenbrauen, da saß ein kleiner violetter Pickel, den fixierte ich und erreichte, dass Farouks Gesicht und der Ausdruck darauf zu Nebel zergingen.
»Hoch entwickelte Ameisen sind altruistisch«, sagte ich. »Die Mehrzahl von ihnen verzichtet auf Sex und Nachkommenschaft und arbeitet für ihre Kolonie, ohne dass sie individuell profitiert. Man erklärt das genetisch, durch Selektion und ähnliche Mechanismen. Aber es ist viel komplexer. Sie haben tatsächlich so etwas wie eine Gesellschaft und lösen ihre Konflikte ausgesprochen zweckmäßig und effektiv.«
Niemand sagte etwas. Frau Dr. Decker schaute nachdenklich zu mir herüber, gründlich kauend. Im Hintergrund feilten die Zikaden wütend am Rest des vergangenen Abendhimmels. Ich schaute auf den Nebel, der eben noch Farouk gewesen war, wie er unter seinen wolligen Haaren hin- und herwaberte, und redete weiter.
»Sie
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