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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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leben in fast allen Habitaten, und sie überstehen Katastrophen, weil die Kolonie funktioniert wie ein großer Organismus, wie eine Art Superintelligenz. Sie züchten Pilze auf einem Papierbrei, den sie in unterirdischen Klimakammern keimfrei wachsen lassen, und sie halten sich andere Insekten wie Vieh, um sie zu melken. Sie bauen Ställe für sie und passen auf sie auf. Sie haben keine Befehlshaber. Ihre Gehirne sind winzig, deshalb verteilen sie ihre Intelligenz. Gelenkt durch Gerüche und Berührungen weiß jede Ameise, was sie gerade zu tun hat. Sie kombinieren einfach ein paar binäre Entscheidungsmöglichkeiten miteinander wie ein Computer, das ergibt eine Bandbreite wie bei einem Schachspiel und reicht, um ihr Verhalten so zu steuern, dass man denkt, sie seien vollkommen vernünftig, wenn man ihnen zusieht. Sie sind nicht als Einzelwesen intelligent, es ist ihre Kolonie, die ausgesprochen schlau reagiert. Gerade umgekehrt wie bei uns Menschen, würde ich sagen.«
    Noch immer Schweigen. Ich griff nach meinem Glas. Farouks Gesicht tauchte wieder aus dem Nebel auf, er grinste mich an. Hatte sich verwandelt, in einen Kollegen womöglich.
    »Formidable. Auf die Ameisen«, sagte Felicité neben mir plötzlich.
    Unsere Gläser klangen aneinander. Ich roch ihren Duft, mein Gehirn hatte ihn auf einmal hereingelassen, und wahrscheinlich klickten schon ein paar Verbindungen zur Hypophyse, aber mein Bewusstsein sagte mir trotz der Wirkung des Chablis, ich solle froh darüber sein, dass sich das pheromongesteuerte Verhalten der Säugetiere im Vergleich zu demjenigen der Ameisen in zwanzig Millionen Jahren ziemlich zurückentwickelt hat.

DREI
    Aufbruch nach dem Frühstück, hatte es geheißen. Um acht Uhr war es bereits so heiß, dass die Luft in der Sonne flimmerte und die Baumkronen über der Lichtung zu einer Fata Morgana verdoppelte. Schon die hundert Meter hinüber zum Landrover ließen mir den Schweiß ausbrechen. Wessing, den fleckigen Hut auf dem Kopf, hockte hinter dem Steuer. Hatte schon gewartet, setzte seine verbeulte Wasserflasche ab.
    »Ausgeschlafen?«
    Er legte den Gang ein. Es krachte im Getriebe, der Geländewagen holperte los. Hinter uns wackelten Pakete mit Wasserflaschen, große Kühlboxen mit Weinflaschen, mit kaltem Huhn in Portwein und Gemüselasagneschnitten. Wir hatten Malariatabletten, Heftpflaster und Macheten dabei und die Filmausrüstung der Giulianis.
    Die staubige Piste lag vor uns wie eine Schrunde. Vor ein paar Jahren, erzählte Wessing, hätten Holzfäller sie angelegt, um Bäume aus dem Urwald zu holen, ehe sie von der Regierung gestoppt wurden. Hatten es zu toll getrieben, selbst für afrikanische Verhältnisse. Sich außerdem blöd angestellt, vermutete Wessing, hatten die falschen Leute geärgert oder den richtigen zu wenig Geld gegeben. Er lachte zufrieden.
    Der Motor nagelte vor sich hin, ich ließ mir durch das offene Fenster die heiße Luft ins Gesicht wehen. Das Gras zu beiden Seiten des Weges bestand aus mannshohen dunkelgrünen Halmen, deren erdzeitaltererprobte Substanz jeder Art von Hitzeeinwirkung standhielt, außer vielleicht einem Schweißbrenner. Ab und zu ragte wie ein angenagter Obelisk eine weiße Termitenburg heraus. Wenn der Wagen in ein Waldstück hineinfuhr, fiel der Schatten auf uns herab, und wir rollten übergangslos in eine Kühle hinein, die man geradezu anfassen konnte. In der plötzlichen Dunkelheit keckerte es los, Vögel flatterten wie explodierende Tücher durch ein Netz blasser Lichtbalken. Eine Affenhorde raste einmal vor uns über den Boden und in die Wipfel hinauf, bellend wie eine Meute von Hunden. Vor lauter Aufregung kriegten sie Durchfall, ihre Kacke pladderte auf unsere Windschutzscheibe herunter.
    Wessing befuhr die Piste sehr langsam, das Lenkrad in ständiger Bewegung. Es ging auch nicht anders, weil ab und zu Löcher oder ein Graben kamen, in die man nicht hineinfahren durfte. Einmal hielt er auf einer offenen Fläche an, die von nichts als den drahtharten Gräsern bewachsen war, und reichte mir den Feldstecher herüber. Ich konnte nichts entdecken, hörte nur, wie die Zikaden ein paar Dezibel zulegten. Wessings dicker Zeigefinger zeigte nach rechts.
    »Büffel. Schau mal unter die Bäume dort am Waldrand.«
    Ich brauchte eine Weile, ehe ich sie fand. Sie standen nahezu unsichtbar im Blättergewirr. Bloß ihre Ohren sah man ab und zu zucken, wahrscheinlich um die Fliegen zu vertreiben. Und die aufwärts gebogenen Hörner des vorderen sah ich,

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