Gabun - Roman
sie ragten breit ausladend aus einem buckligen Hornschild, der ihm über die ganze Stirn reichte. Er hatte einen mürrischen, unzivilisierten Gesichtsausdruck. Aus vielleicht hundert Metern Entfernung starrte er uns an wie ein Kampfhund den Briefträger.
»Kaffernbüffel«, sagte Wessing. »Können unangenehm werden, vor allem wenn sie angeschossen sind.«
Der Landrover rollte weiter. Wir ließen die Büffel zurück, der Wald hatte sie wieder verschluckt. Niemand hatte auf sie geschossen.
»Wer schießt auf Büffel?«
»Jagdgäste natürlich«, antwortete Wessing. »Gibt’s ja hier nicht, zum Glück.«
»Du warst mal Jäger?«
»Ja, in Namibia. Hab ich dir ja schon erzählt. Die Leute zahlen heutzutage eine Menge Geld, um Großwild zu jagen. Amerikaner, Schweizer, Deutsche. Viele Russen auch inzwischen. Wer richtig Geld hat, will ›The Big Five‹, wie zu Hemingways Zeiten.«
Wessing streckte die Finger seiner rechten Hand aus.
»Elefant, Rhino, Löwe, Büffel und Leopard«, zählte er auf und klappte dazu je einen Finger wieder ein. »Die Kamin-Kollektion.«
»Kamin-Kollektion?«
»Die Stoßzähne kommen rechts und links an den Kamin, die Felle davor, an die Wand das Nashorn und der Büffel.«
Ich versuchte, mir das vorzustellen. Sah plötzlich Hemingway mit depressivem, altersfleckigem Gesicht vor mir. Er saß unter ausgestopften Tierköpfen, ein Glas Whisky in der Hand, und hielt den Blick auf ein Gewehr gerichtet, das an der Wand hing. Ich schaltete den Gedankengang schnell wieder ab.
»Was macht man als Jäger?«
»Man sorgt dafür, dass die Gäste zufrieden sind und ihre Abschüsse kriegen.«
»Selber jagt man nicht?«
»Nein. Kein Förster im Silberwald. Das ist ein reines Geschäft.«
»Wenn einer danebenschießt?«
»Ist nicht schlimm. Dann fährt man noch mal raus. Schlimmer ist es, wenn er nicht danebenschießt.«
Wessing grinste zu mir herüber, schob sich den Hut mit dem schweißfleckigen Lederband ins Genick und kratzte sich den Haaransatz.
»Es fängt damit an, dass die meisten Gäste Gewehre mitnehmen, die zu schwer für sie sind. Sie fühlen sich sicherer, wenn sie so eine Kanone dabeihaben. Aber dann mucken sie beim Schießen, weil sie Angst vor ihrem eigenen Gewehr haben, und treffen nicht. Zweitens schleppen sie das schwere Ding nicht selber, sondern geben es dem Jäger, der soll es tragen. Dann hat man zwei Gewehre an den Schultern hängen, wenn man rausgeht, das sind zusammen ungefähr zehn Kilo.«
»Aber was heißt: Schlimmer, wenn er nicht danebenschießt?«
»Na, wenn der Gast einen Löwen oder einen Büffel angeschossen hat. Der nimmt ihn entweder gleich an, oder er geht in den Busch, beides ist unangenehm. Ein Löwe macht im Sprint zwanzig Meter in der Sekunde. Keine Zeit zum Diskutieren. Das muss dann der Jäger erledigen.«
»Aha.«
Ich ließ meinen Blick über das grasbewachsene Gelände wandern, durch das unser Wagen schaukelte, und überlegte, wann man hier zu Fuß frühestens ein Rudel Löwen entdecken würde, wenn man direkt darauf zuliefe.
»Sind Löwen am gefährlichsten?«
»Nein. Am gefährlichsten sind Leoparden, wenn sie angeschossen sind. Und Elefanten. Leoparden sind kaum zu stoppen. Man sieht sie nicht, wenn man in den Busch reingeht. Sie verkriechen sich an der dichtesten Stelle, irgendwo im Kraut, wo du denkst, dass sie nicht stecken können. Und dann sind sie so schnell auf einem drauf, dass man sie kaum aufhalten kann. Einer von den Jägern bei uns hat schon mal einen Massai mit seinem Speer mitgenommen bei so einer Sache. Damit der Abstand gewahrt bleibt.«
Wessings Finger klopften den Takt irgendeiner Erinnerung auf das Lenkrad. Ich schaute ihn von der Seite an. Er wirkte entspannt.
»Und die Elefanten?«
»Man muss sie gut treffen. Am Ohransatz ist gut. Und zur Not, wenn er über dir steht und den Rüssel hebt, um dich plattzumachen, von unten durch das Maul ins Gehirn.« Er zwinkerte mir zu. »Wenn du’s genau wissen willst.«
Ich wollte es nicht noch genauer wissen.
Wir rollten langsam weiter. Es quietschte, wenn der Wagen in den Federn schaukelte, die Luft strömte durch die offenen Fenster mit Föhntemperatur herein. Über den Grashalmen verschwammen die Konturen in der Hitze. Ich blinzelte. War da jemand? Doch, da war etwas. Eine dunkle Gestalt. Kopf, Schultern, ein reglos dastehendes Wesen.
Ich berührte Wessing an der Schulter.
»Gustav! Da ist jemand.«
Der Landrover kam mit ächzenden Bremstrommeln zum Stehen.
»Wo?«
Ich
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