Gabun - Roman
kleine Glasglöckchen. Baumfrösche, wie Fox mir erklärt hatte. Ab und zu ein Plumpsen dazwischen, als lasse jemand einen Stein in einen tiefen Brunnen fallen. Ein Vogel, auch das hatte ich bereits gelernt. Welcher, hatte ich allerdings wieder vergessen. Noch immer war es heiß wie in einem Backofen.
In den Baumkronen lebte eine hyperaktive Sorte Affen, die einen mit ihren kleinen, blitzartig zwischen den Blättern herausgestreckten Greisengesichtern anstarrten. Sie hatten die Gewohnheit, in gewissen Abständen in soziale Instabilität zu kippen und mit tobendem Kreischen in die äußersten Wipfel der Bäume abzuhauen, um sich gegenseitig haareraufend und kopfschüttelnd zu beschimpfen. Nach einer Weile beruhigten sie sich wieder und verschwanden mit steil gereckten Schwänzen im Dunkel des Walddachs.
Nachdem ich ihnen eine Weile zugesehen hatte, beschloss ich zurückzugehen. Da bemerkte ich Wessing. Er saß ein Stück von den Hütten entfernt im Gras auf einem Klappstuhl aus rotem Markisenstoff, den Hut ins Genick geschoben, in der Linken eine Zigarette, in der Rechten eine Bierdose. Es sah aus, als wäre er gerade dabei, einen Film mit unsichtbarer Crew zu drehen. Im Licht der abendlichen Sonne wirkte er mindestens so tropentauglich wie Fox, vielleicht noch authentischer, weil er verwitterter aussah, gleichgültiger gegen seine Umgebung. Ich schlenderte durch die kniehohen Stoppeln zu ihm hinüber, trat dabei vorsichtig auf. Die fette Viper aus dem Berliner Zoo war mir bei Wessings Anblick wieder eingefallen.
»Na?«, begrüßte er mich.
Er ließ einen flinken Blick über mich wandern. Mein Platz in einem Afrika-Movie, dachte ich, wäre wohl eher hinter als vor der Kamera. Ananas schneiden für die Filmcrew zum Beispiel. Obwohl ich dabei war, mir einen Bart wachsen zu lassen, um meine Erscheinung abenteuerlicher zu machen, aber der war erst drei Tage alt.
»Hast du dich eingelebt?«, wollte Wessing wissen.
»Ich muss noch rausfinden, wie ich hier nützlich sein kann.«
»Wirst du. Du machst einfach, was ansteht. Machen wir alle so«, sagte er großzügig.
Die Abendsonne blondierte ihm das Bärtchen, seine Falten hatten sich entspannt in die Horizontale begeben. Ich musste an John Wayne denken, in einem Film, dessen Titel ich vergessen hatte. Ich wusste nur noch, dass sie dort ständig in Jeeps hinter Nashörnern herfuhren und dass mir John Wayne mit seiner ständigen Leidensmiene in Afrika fehl am Platz vorgekommen war. Wie Olson in der Lodge. Wayne gehörte filmisch nach Colorado, wo er Gerechtigkeit herstellen musste, und Olson nach Vietnam, um Unrecht zu tun. Wessing aber, der gehörte ohne Zweifel hierher.
»Sag mal, Gustav, ihr habt doch Gewehre dabei, ein ganzes Arsenal. Wozu braucht ihr die eigentlich?«
Wessing blies Rauch in die Luft für eine Denkpause. Sah dem Rauch zu, wie er langsam in der windstillen Luft zerging.
»Besser, wir brauchen sie nicht«, sagte er. »Aber sicher ist sicher. Es gibt hier Löwen, zum Beispiel. Was willst du machen, wenn du einen davon geärgert hast oder wenn ein Warzenschweinkeiler dich absolut nicht leiden kann?«
Was wollte ich dann machen? Dazu fiel mir nichts Stichhaltiges ein. Nur dass es eine meiner Aufgaben sein würde, die Gäste demnächst zwischen Löwen, Krokodilen, Warzenschweinen und was immer noch für Biestern herumzuführen.
»Kommt das vor?«
Wessing schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Einmal in zehn Jahren. Nur wenn dich eine Löwin annimmt und du hast nichts anderes in der Hand als deine Kamera, ist das fatal.«
Er sagte »fatal«, nicht etwa »scheiße« oder »Mist«. Immer wieder überraschend, Wessings Wortschatz.
»Also geht jemand mit, der ein Gewehr hat«, schloss ich.
»Wenn wir mit Gästen zu Fuß unterwegs sind, schon. Die wollen an die Tiere ran, deswegen.«
»Und die Gorillas?«
»Machen keinen Ärger«, meinte Wessing. »Sanfte Riesen.«
Ich nickte ihm zu, nicht beruhigt, aber für den Moment ohne weitere Fragen.
Auf den Rest meines Spaziergangs verzichtete ich. Ich ging zurück zu meiner Hütte, um für das Abendessen die Pfadfinderkluft gegen eine saubere Jeans und ein schickes Hemd einzutauschen. Als ich auf dem Bett saß und im Faltschränkchen nach den Malariatabletten suchte, dachte ich an Lea. In den letzten Tagen hatte sie sich zurückgehalten, wahrscheinlich nahm mein Gehirn aus Überlastungsgründen und wegen der Hitze einfach Rücksicht auf sich selbst. Nun drangen ihre Kommentare in mein Bewusstsein wie
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