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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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eine schlecht empfangene Kurzwellensendung, die Lautstärke ihrer Sätze schwoll dabei an und ab, Lea war ja auch ein paar tausend Kilometer entfernt. Ich empfing nur Stichworte: Windige Provisorien, klang es heraus, dubiose Gestalten, schrille Ökofritzen, zuletzt, gerade noch vernehmlich: Und wer ist das überhaupt, diese schwarze Venus?
    Wir saßen beim Abendessen, die Tafel wirkte mit bloß drei Gästen deutlich unterbesetzt. Am oberen Ende die Giulianis, korpulent und gut gelaunt, auf der rechten Seite Frau Dr.   Decker mit grämlichem Ausdruck und deutlichem Untergewicht. Zwischen ihnen präsidierte Fox. Windlichter flackerten neben den Gedecken, in den Ästen der nahe stehenden Bäume hingen weiße Papierlaternen, auch am Boden brannten Teelichter mit Papiertüten darüber. Solche Sachen machte Felicité, »die Agentin für alles Schöne« – Originalton Fox –, sie zeichnete für die Möblierung der Gästehäuser verantwortlich, und sie hatte die besten von Fox’ phantastischen Tierfotos als Wandschmuck ausgesucht und gerahmt. Zu ihren Aufgaben gehörte außerdem das Verwalten der Internetkontakte mittels Satellit, unserer Verbindung zur übrigen Welt. Wessing und Olson waren vom Küchendienst befreit, ich hätte Olson auch nicht gern beim Tellerwaschen Gesellschaft geleistet. Damit blieben natürlich nur Farouk und ich als Küchenhelfer übrig, aber wenigstens nicht ich allein.
    Fox war noch beim üblichen Trinkspruch des Abends, bei dem er Aktuelles und Vergangenes in einen Bezug zu bringen wusste. Er hatte uns eben von Greenpeace erzählt, von den Kämpfen für den Planeten, an denen er teilnehmen durfte, und davon, dass der »Park« eine Fortsetzung dieses Weges darstellen solle, wenn auch eine friedlichere. Dass wir uns als Gefährten sehen mögen, unterwegs in eine bessere Zukunft. Fox erhob sich, wir stießen an.
    »Auf unsere Visionen.«
    Niemand außer mir schien das komisch zu finden. Auf meine Visionen zumindest wollte ich nicht trinken, sie machten mir manchmal Sorgen. Aber andere hatten andere Visionen, vor allem Fox schien mir ein Visionär positiven Schlages, er wirkte überzeugend im Licht der Kerzen; sein Blick, als er sein Glas hob, ging nach vorn, aufwärts, an mir vorbei zu den Sternen. Unwillkürlich dachte ich bei diesem unserem Abendmahl an das letzte, das jeder kennt und das ja auch oft dargestellt wird, und Fox sah mit Bart und den Locken dem berühmten Hauptdarsteller nicht unähnlich. Ich dachte also an Visionen und was daraus entstehen kann, aber es gelang mir diesmal, meine unseligen Gedankengänge abzubremsen. Stopp, sagte ich zu mir. Lass es.
    Gläser klangen, das Essen war eröffnet. Beim Tischgespräch kam Fox zu seinen Abenteuern im Pazifik zurück. Ab und zu rang er um ein englisches Wort, aber die Giulianis halfen gerne aus, Frau Dr.   Decker nickte langsam und gleichmäßig, und Fox wurde wieder flott. Wir fuhren weiter mit ihm im Schlauchboot durch die fliegende Gischt direkt vor die Harpunengeschütze japanischer Walfangschiffe, kämpften in einem Meer voller Blut um das Leben der Wale. Anschließend stieg die Tischgesellschaft mit Fox und seinen Gesellen noch auf den Gipfel eines nepalesischen Achttausenders und war, am Ziel angelangt, genau wie er, überwältigt.
    »Das war ein Geschenk für mich. Dass ich dort sein konnte. In dieser Stille. Überirdisch.«
    Von Fox’ weiter vorgetragenen Erlebnissen bekam ich nicht mehr alles mit, der Küchendienst endete eben erst nach dem Dinner. Ich räumte ab und trug die benutzten Vorspeisenteller durch die wunderbare Nacht in den Küchenschuppen hinüber, begleitet vom Feilen der Zikaden.
    Als ich zurückkam, stellte ich die drei Flaschen Chablis, die ich mitgebracht hatte, in die Kühler und nahm meinen Platz zwischen Felicité und Wessing wieder ein. Fox erzählte gerade vom Radfahren, gab einen kurzen Abriss des Fahrrads als freundlicher Technologie: Es existiere kein Gerät, das mehr Mobilität mit weniger Umweltbelastung verbinde, lehrte er uns, damit sei das Fahrrad ein Beweis dafür, dass so etwas funktioniere. Eine ökologische Ikone eben und so gut, dass es seit über hundert Jahren kaum verändert worden wäre. Mir gegenüber saßen Farouk und Olson. Olson hatte seinen Salat nicht angerührt, er trank auch keinen Wein. Er lebte wahrscheinlich ausschließlich von Fleisch wie ein kreidezeitlicher Raubsaurier. Anstatt zu essen, war er inzwischen beim vierten Bier angelangt, die Dosen standen in einer Reihe neben

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