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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Vries seinen Hut, einen altmodisch aussehenden Panamahut, und reichte Fox die Hand. Der Gutsbesitzer kommt zurück, wird von den Knechten und vom Verwalter begrüßt, so etwa wirkte die Szene. Seltsam. Fox zeigte kein Lächeln, er hatte wohl keines parat, das in die Situation passte. Wir gingen hinüber, Felicité und ich, und begrüßten De Vries.
    Amüsierte hellgraue Augen, die einen rasch musterten, ein hageres Vogelgesicht. Er konnte gewinnend lächeln, seine Manieren beeindruckten sogar Felicité, die er mit genau der richtigen Portion Bewunderung begrüßte. Er schien nur ihr Gesicht zu beachten, musterte sie nicht wie ein pleitebedrohter Bordellbesitzer. Bloß ein feines Lächeln, eine charmante Bemerkung und ein Satz auf Französisch, den sie geschmeichelt beantwortete, ihr Haar dabei mit einer Hand richtend.
    Auch ich fühlte mich wahrgenommen. De Vries wandte sich mir zu, als wäre er nur meinetwegen hergekommen, schüttelte mir kräftig die Hand.
    »Herr Jesper, nicht wahr?«, sagte er in steifem Deutsch mit holländisch klingendem Akzent. »Guten Abend. De Vries. Ich habe schon einiges von Ihnen gehört. Man hat mir erzählt, Sie arbeiten über Ameisen. Sie werden genug Forschungsobjekte hier vorfinden, habe ich recht?«
    Ich brauchte nichts zu sagen, ein freundliches Nicken reichte. So bewegte sich unsere kleine Gruppe plaudernd in Richtung des Gästedorfs, das heißt: De Vries plauderte mit Felicité. Über die Windward Islands, die er gut kannte, und über Martinique, wo die schönsten Frauen der Welt lebten, sie könne das ruhig persönlich nehmen. Und so weiter.
    Wir anderen folgten schweigend. Olson mit dem Blick eines Attentäters, er trug De Vries’ Tasche und dazu unverkennbar ein Gewehr, das in einem Lederfutteral steckte. Wessing warf Fox ab und zu einen Blick zu, und Fox wirkte, als habe er etwas Wichtiges vergessen, was ihm nicht einfallen wollte. Einmal blieb De Vries stehen, vom Konzert der Zikaden umgeben unter dem Nachthimmel, an dem die Milchstraße bis hinab zum Horizont reichte. Breitete die Arme aus und schaute in die Runde, als habe er die Sterne persönlich herbestellt. Niemand sagte etwas dazu.
    Ich hatte Küchendienst, wie jeden zweiten Tag. Meine Erfahrungen im Dienstleistungsgewerbe kamen mir zustatten, es fiel mir nicht schwer. Mehr noch, ich machte es eigentlich ganz gern. Wenigstens eine Arbeit, bei der ich das Gefühl hatte, nützlich sein zu können. Ich stellte mich dabei ganz geschickt an, tat, was man mir anwies. Beim Abräumen des Frühstücksbuffets draußen sprach mich De Vries an, der an der Tafel sitzen geblieben war. Ob ich Lust hätte, einen Kaffee mit ihm zu trinken. Ich bejahte, ging in den Küchenschuppen und holte eine volle Kanne. Zu Ze Zé und Farouk sagte ich, dass ich später weitermachen würde, sie sollten den Abwasch stehen lassen.
    »Setzen Sie sich zu mir, Herr Jesper«, sagte De Vries.
    Ich goss Kaffee in unsere Tassen.
    »Mit Ihnen zu sprechen ist nicht nur interessant, Herr Jesper, es ist auch eine Gelegenheit, mein Deutsch zu verbessern.«
    Seine von vielen Fältchen umgebenen hellgrauen Augen. Das zurückgekämmte graue Haar mit den tiefen Geheimratsecken. Ich schätzte ihn auf fünfundsechzig, aber auf den ersten Blick sah er wesentlich jünger aus.
    »Ihr Deutsch ist sehr gut«, sagte ich. Er war ein Gast, also machte ich Konversation. »Wo haben Sie in Deutschland gelebt?«
    »Ich habe gar nicht dort gelebt«, sagte De Vries. »Wir hatten eine deutsche Angestellte. Sie war so etwas wie meine – auf Deutsch sagt man, glaube ich, Kinderfrau. Sie hat mir deutsche Lieder vorgesungen. Lieder vom Wald, vom Meer, solche Lieder, wissen Sie. Die deutschen Lieder sind sehr schön. Ich sage das nicht nur aus der Perspektive des Kindes.«
    De Vries beobachtete mich. Sein prüfender Blick enthielt Wohlwollen, nichts anderes.
    »Sie hieß Margarete, das ist doch ein sehr deutscher Name, oder nicht? Nun, ich heiße Knud, das könnte deutsch sein, aber es kommt aus dem Holländischen.«
    Er trank einen Schluck Kaffee, seine Möwenaugen wanderten über die spitzen Grasdächer der Gästehäuser hinüber zum Fluss. Einen Moment lang dachte ich, er habe dort etwas bemerkt. Nichts zu sehen. De Vries wandte sich wieder mir zu.
    »Die Niederländer sind in der ganzen Welt angekommen, Herr Jesper. Fromme und tapfere Leute. Sie waren immer sehr unternehmend, sagt man so?«
    »Unternehmerisch«, korrigierte ich.
    »Ja, genau. Sie haben sich aufgemacht in die Welt,

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