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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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verpflichtet.«
    De Vries’ Gesichtsausdruck hätte nicht überzeugender sein können.
    »Danke«, sagte ich lahm.
    »Ich möchte Ihnen den Diamanten schenken, Herr Jesper. Sie sind mir sympathisch, und Sie hören meinen Geschichten zu, das ist sehr freundlich.«
    »Das kann ich nicht annehmen. Tut mir leid.«
    De Vries griff nach meiner Hand, öffnete sie ohne Umstände und legte den Diamanten hinein, wie man einem Kind eine Murmel gibt.
    »Machen Sie mir die Freude. Es verpflichtet Sie zu nichts. Ich leiste mir manchmal Gesten wie diese, es amüsiert mich. Für mich ist es ein Vergnügen, und Sie können damit machen, was Sie wollen.«
    De Vries nickte mir zu und verließ die Tafel. Ich stand da, einen Rohdiamanten von einigen tausend Dollar Wert in der Hand – dass das zutreffend war, bezweifelte ich nicht –, und fühlte mich unwohl. Nicht verpflichtet, das nicht. Ich öffnete meine Hand, sah mir den Diamanten an, sein milchiges Rosa, in dem eine Kostbarkeit steckte, und ich spürte, dass De Vries mich mit diesem Stein infizieren wollte wie mit einem Keim. Ich steckte den Stein in meine Hosentasche und ging in den Küchenschuppen.
    Was mich geärgert hatte, wurde mir erst nach einer Weile klar, erst nachdem ich neben einem vor sich hin maulenden Ze Zé allein einen Berg Abwasch sauber gespült hatte. Was mich wirklich ärgerte, war, dass De Vries in mir anscheinend die schwächste Stelle des Systems sah, und ich fragte mich, ob er damit recht hatte.
    Am Nachmittag kam Olson mit dem vollbepackten Flugzeug zurück. Wir luden zentnerweise Mineralwasser aus, Bierdosen, Kartons mit Tiefkühlkost, Gemüse und Obst. Und vier tote Perlhühner, noch nicht gerupft, für das Abendessen. Ze Zé hatte sie bestellt. Stand daneben mit der Miene eines Sklavenhändlers und drückte zwischen Daumen und Zeigefinger den Hühnern prüfend die blassroten Kämme. Er beabsichtigte, Perlhuhn mit Morcheln zu kochen, dazu sollte es Möhrengemüse und ein Gratin aus Yamswurzeln geben.
    Anschließend saß ich allein im Küchenschuppen und hielt eines der toten Hühner auf den Knien. Ratlos, nachdem Ze Zé mir im Hinausgehen die Anweisung erteilt hatte, ich solle schon mal mit dem Rupfen anfangen. Farouk könne mir helfen, wenn er auftauche, er, Ze Zé, habe jetzt keine Zeit, nach ihm zu suchen. Er müsse mit Felicité die Einkaufsliste für die nächsten drei Tage besprechen, nachdem man nun einen Gast mehr habe. Anzunehmen, dass die Besprechung länger dauern würde.
    Ich schaute auf das tote Perlhuhn in meinem Schoß, wusste, dass noch drei auf dem Deckel der Tiefkühltruhe lagen. Auf den schwarzen Federn des Huhns saßen weiße Punkte, wie mit dem Pinsel aufgetupft und so geschmackvoll der Größe jeder einzelnen Feder angepasst, dass man sich das Huhn anders gar nicht hätte denken können. Seine Augen waren geschlossen, sie gaben seinem Antlitz einen entschlossen verweigernden Ausdruck, als habe es sich dafür entschieden, sich mit nichts Irdischem mehr zu befassen. Der Kopf ganz federlos, die dünne, runzlige Haut um die bewimperten Augen von einer überraschenden Zartheit, die auch die beiden Hautkämme am Kinn besaßen, sie hatten die Farbe von Lippenrot. Nur die harten Füße, gelb geschuppt, erinnerten an die Abkunft der Vögel von den Dinosauriern.
    Ich stellte mir die Ahnen des Perlhuhns vor, flinke kleine Raptoren, die in Scharen kreischend über hügeliges Gelände rannten und ihre mit rudimentären Federn besetzten Vorderbeine zum Segeln ausstreckten, wenn sie auf der Flucht vor größeren Räubern über eine Senke hinwegschwebten. Das Huhn nahm an meinen Überlegungen nicht teil, es ruhte vornehm im Zentrum seiner Außerweltlichkeit und wartete darauf, dass ich es rupfte. Das stand ihm ja zu, es sollte gegessen werden und nicht ungenutzt verderben. Ich fing mit einer Flügelfeder an, versuchte, sie herauszuziehen. Es ging nicht. Die Feder steckte im Fleisch wie hineingeschossen. Ich griff fester zu. Riss heftig an dem totenstarren Körper, dabei biss ich mir auf die Lippen. Das Huhn gab die Feder nicht her.
    Herzliches Lachen vom Eingang her. Farouks Schattenriss verdunkelte den Raum. Seine breiten Schultern, die Baseballkappe, die Hände in den Taschen seiner Shorts.
    »Bernd rupft ein Huhn. Mann, das muss ich fotografieren.«
    Er fingerte sein Handy aus der Hosentasche, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich erhob mich, holte aus. Das Huhn traf Farouk an der linken Schulter. Er war unvorbereitet und ging zu Boden

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