Gabun - Roman
Draußen drückte ich die Tüte dem Alten in die Hand. Der nickte, grinste und sagte zufrieden einiges, von dem ich nur das Wort »Mojo« behalten konnte.
»Mojomojo«, sagte er zum Abschied und verschwand wie ein Gespenst in einer verborgenen Tür der Finsternis.
Danach verzichtete ich auf die Fortsetzung meines Spaziergangs. Ich ging auf direktem Weg zur Tafel hinüber und setzte mich zu Wessing und Farouk, die eine Unterhaltung über Autos führten. Wessing klopfte mir zur Begrüßung auf die Schulter, dann wandte er sich wieder Farouk zu, der eben ausführte, wieso die Zukunft der Mobilität im elektrischen Antrieb liege. Ich hörte ihm nicht zu, mein Blick wanderte zu Fox und Felicité, sie tuschelten miteinander. Nicht auf diese gewisse Art, das zeigte mir ein zweiter Blick. Felicité war wütend, sie beschwerte sich. Noch ein paar geflüsterte Worte stieß sie aus, dann schwieg sie, um mit zornig gerunzelten Brauen auf den Tisch zu starren. Mein Blick wanderte weiter zu De Vries, der mit den Giulianis plauderte. Saffkin saß daneben und brütete stumm vor sich hin, er machte den Eindruck, als konzentriere er sich auf eine für uns unhörbare Musik. Hatte aber nichts im Ohr. Man muss ja immer nachsehen, ob die Menschen gerade verkabelt sind, das erklärt oft, warum sie einem nicht antworten oder so komisch gucken.
Vier Cognacschwenker standen auf dem Tisch. Wahrscheinlich, dachte ich, hat Giuliani De Vries und Saffkin mit seinem Lebensretter bekannt gemacht. Als kleines Dankeschön für die Einweisung an einer Großwildbüchse. Frau Dr. Decker fehlte an der Tafel. Sie war vermutlich bereits zu Bett gegangen, um ihre verbliebene Lebensspanne nicht zu verringern.
»Elektroautos kannst du in China verkaufen«, sagte Wessing eben zu Farouk. »Die Chinesen lassen sich das vielleicht gefallen. Anderswo kannst du keinem zumuten, in so einem Ding zu fahren.«
»Du musst größer denken, Gustav«, sagte Farouk. »Man könnte die Straßen ja mit Fotovoltaikbelag ausrüsten, und die Autos haben einfach Stromabnehmer, damit können sie darauf fahren und laden. Wenn du ins Straßennetz reinfährst, steckst du einfach deine Kreditkarte irgendwo rein, und schon kannst du fahren, so lange du bezahlt hast, beim Rausfahren wird der Betrag abgebucht. Keine Tankstellen mehr, kein Dreck, keine Öllobby.«
Wessing kam nicht zum Antworten, denn in diesem Moment fiel ein Schuss.
Alles verstummte. Der ganze Tisch sah zu Fox hin, als habe der geschossen. Der Schuss hatte ziemlich laut geklungen, es konnte nicht weit weg gewesen sein.
»Um Gottes willen!«, flüsterte Oda Giuliani in die theaterwürdige Stille.
Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck, der auch bei weniger erfahrenem Servicepersonal als bei mir Alarm ausgelöst hätte. Fox reagierte, er legte ihr seine Hand auf den Arm.
»Wir sehen gleich nach, keine Sorge.« Zu Wessing gewandt: »Gustav, kommst du mit? Holst du uns zwei Taschenlampen?«
Wessing nickte und stand auf, als habe er sich gerade zum Bierholen verabredet und nicht dazu, nachzusehen, wo scharf geschossen worden war. Wir anderen saßen ratlos da, als spielten wir plötzlich in einem Film mit, dessen Ausgang wir nicht kannten. Ich jedenfalls sah mich sofort als Ziel für jeden Wilderer, der aus der Dunkelheit heraus auf mich zielte, an der Tafel sitzen, den Kugeln seiner Kalaschnikow preisgegeben im Schein der Windlichter. Außer den Wilderern, denen wir vor die Flinte geraten waren, sah ich noch gewaltbereite Grenzgänger aus dem benachbarten Kongo mit der Ambition, ein paar zahlungskräftige Geiseln nach Hause mitzunehmen. De Vries hatte sich zurückgelehnt, er beobachtete Fox, der neben der Tafel stand und darauf wartete, dass Wessing zurückkam.
»Bitte machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Fox in die Runde. »Wir kümmern uns darum, es besteht absolut keine Gefahr, das versichere ich Ihnen.«
Noch ehe Wessing mit den Lampen zurückgekommen war, kam jemand anderer.
Zuerst hörte man ein menschliches Knurren, begleitet von leisem Lamentieren, dann trat Olson ins Licht der Tafel. Er war bewaffnet, und er war nicht allein. In der einen Hand hielt er ein Sturmgewehr, in der anderen den Arm des alten Mannes, dem ich vorhin die Tüte mit Essen geschenkt hatte. Der Alte hing in Olsons Griff wie das personalisierte Elend. Er jammerte leise vor sich hin. Sein dünner Arm verschwand vollständig im Griff von Olsons Pranke. Olson machte sein finsteres Landsknechtsgesicht, das Gewehr, eine automatische Waffe mit
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