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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Fackeln. Vielleicht hatte ich ja einen Sonnenstich.
    Ich musste mich dringend hinlegen. Du wirst ihn nicht los, hatte Felicité gesagt. So etwas Ähnliches hatte auch das tote Grinsen des Schädels ausgedrückt, auf das ich eben gestarrt hatte: Du wirst mich nicht los. Nun begriff ich, wie kostbar es war, bestimmte Dinge nicht zu wissen. Lea hätte vielleicht gesagt, ich wäre feige. Vielleicht war ich auch feige, das war mir egal, ich traf eine Entscheidung.
    Ich betrat die Hütte wieder und suchte eine Plastiktüte. Das war nicht so einfach, weil Plastiktüten in der Lodge gemieden wurden, man packte aus ökologischen Erwägungen alles in Papiertüten. Ich hatte aber eine; es war die, in die ich meine Schmutzwäsche stopfte, sie stammte noch von Tengelmann in Berlin. Ich stülpte also mit angehaltenem Atem die Tengelmann-Tüte umgekehrt über meine Hand und nahm so den Affenschädel vom Boden auf, klopfte einige Ameisen ab, dann musste ich wieder Luft holen und inhalierte die üble Gestanksexplosion, die ich verursacht hatte. Ich wickelte den Schädel zusammen mit dem Rest des Ameisentrupps fest in die Tüte. Ich opferte sie aus Geruchsgründen. Zog die Tüte straff und verschnürte sie mit einem Schnürsenkel, den ich aus einem meiner Lloyds-Schuhe herausfädelte. Das verschnürte Bündel schob ich unter die Schmutzwäsche, die ich im Klo lagerte.
    Ich nahm an, dass es damit genug war. Der Waldschrat würde wohl nicht verlangen, dass ich sein Geschenk am Körper trug. Wobei, schoss mir durch den Kopf, als ich die Hütte wieder verließ, das die sicherste Methode gewesen wäre, ihn nicht zu verlieren. Mit einer Schnur durch die Augenhöhlen, so wie er es gemacht hatte. Aber so weit war ich noch nicht. Ich brauchte jetzt erst mal etwas Kaltes zu trinken.
    Draußen schwammen die Dächer der Gästepavillons über dem Gras, sie taten es allerdings, wie manchmal um die Mittagszeit, auf dem Kopf stehend. Fata Morgana. Ich fasste mir an die Schläfe. Mein Kopf erschien mir sehr heiß. Über der erhitzten Stille lag wie stets das Summen der Insekten. Sie machten gar nicht so viel Aufhebens davon, dass sie die eigentlichen Bewohner der Erde waren. Eines Insektenplaneten, auf dessen grasbewachsenem Boden der Park in der wabernden Hitze lag wie eine Unterwassersiedlung, über die sie hinwegschwammen unter der Oberfläche eines wolkenlosen Himmels. Aus der Sicht der Insekten stellten die Warmblüter eine merkwürdige Verirrung des Lebens dar, die an ihren Exzessen bald zugrunde gehen würde, geradeso wie die Dinosaurier, denen die Insekten ja auch schon beim Aussterben zugesehen hatten.
    Ich steuerte mit sinkendem Blutdruck auf den Küchenschuppen zu, mein Denken zentrierte sich auf das Bild des geöffneten Kühlschranks, darin sah ich eine jungfräuliche Flasche Cola stehen, betaut mit vielen kleinen Wassertropfen. Ich sah sie in meine Hand gleiten, sah mich den Schraubverschluss öffnen, horchte auf das Zischen, es kam und war köstlich leise, weil die Kälte die ganze Kohlensäure noch drinhielt. Aber zuerst noch aufs Klo. Ich bog also vor dem Küchenschuppen rechts ab zur Gemeinschaftstoilette.
    Die Toiletten in der Lodge, das muss ich hier anfügen, waren ökologisch ausgereift. Es waren natürlich Trockentoiletten, nach neuesten Erkenntnissen geplant und gebaut, unabhängig vom Nassbereich mit den Duschen, Bädern und der Solarsauna. Die Toiletten benötigten kein Wasser, nur Sägemehl und bakteriellen Kompostierer, von dem wir alle ein Säckchen erhalten hatten, um unser persönliches Toilettenbiotop in Gang zu setzen. Das europäische Wasserklosett, so hatte uns Fox in einem seiner Kurzvorträge erklärt, belege wie kaum etwas anderes den Aberwitz der Zivilisation. Nachdem man zunächst Jahrhunderte klaglos im Gestank zugebracht habe, sei man unversehens auf die Idee gekommen, ausgerechnet mit Trinkwasser die Scheiße wegzuspülen, um dann hinterher dasselbe Wasser klären zu müssen, damit man es wieder trinken konnte. Dümmer gehe es nicht mehr, hatte Fox gemeint und der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass sich nicht nur der Benzinpreis, sondern auch die Wasserrechnung endlich dem Wert der Rohstoffe anpassen würde. Aus Begeisterung für diese Idee hatte man in der Lodge eine Gemeinschaftstrockentoilette zusätzlich gebaut, auf die ich nun zusteuerte.
    Ich näherte mich den beiden mit Elefantengras gedeckten Häuschen, die man von der anderen Seite her betrat, von dort, wo die Erbauer das hohe Grasdickicht hatten stehen

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