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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Trick? Felicité antwortete nicht, während De Vries noch einmal nickte, das Taschentuch in der Hand. Meine Muskeln spannten sich ganz von selbst an.
    »Na gut«, sagte De Vries. »Sie haben gewonnen, Mademoiselle. Ich sehe schon, Sie geben nicht nach. Dann kehren wir eben um.«
    Er hielt sich das Taschentuch wieder an die Nase und schnäuzte sich umständlich.
    »Gustav«, sagte er zu Wessing. »Mach dich fertig!«
    Es klappte beinahe. Wessing warf den Kopf zur Seite, eine Zehntelsekunde später hatte De Vries die Messerklinge mit dem Tuch gepackt. Felicité war überrumpelt, trotzdem versuchte sie noch, zuzustoßen, aber das Tuch fing die Schneide ab. Als sie Wessings Hals verfehlte, riss Felicité das Messer aus dem Tuch heraus und stach auf De Vries ein. Ich duckte mich, das Messer blitzte an meinem Gesicht vorbei. Es erwischte De Vries am linken Unterarm, ehe er Felicités Handgelenk packen konnte.
    Das Flugzeug schmierte steil ab, wir verloren Höhe. Die Müllsäcke rutschten nach vorn. De Vries umklammerte Felicités Handgelenk und die Messerklinge. Warmes Blut tropfte auf mein Hemd.
    »Merde, lassen Sie mich los!«, schrie Felicité.
    Sie riss das Messer hin und her, De Vries hielt sie am Handgelenk und blockierte die Klinge mit dem Taschentuch. Ich presste meinen Rücken in das Sitzpolster, um Halt zu finden, und hoffte, De Vries würde nicht loslassen. Das Flugzeug kippte röhrend um seine Achse, es ging abwärts mit uns, auf den Urwald zu oder was immer dort unten sein mochte. De Vries rang noch immer mit Felicité, während Wessing wieder nach dem Lenkrad grapschte. Als sich ihr Handgelenk über dem Rahmen von Wessings Sitz befand, schlug er es hart dagegen. Sie schrie auf und ließ das Messer los. De Vries warf es ins Cockpit, wo es irgendwo klirrend aufschlug.
    »Merde!«, rief sie laut, dann noch einmal mit leisem Schluchzen: »Merde.«
    Ich hatte schon die mondbeschienenen Baumwipfel rasch auf uns zukommen sehen. Wir waren ein taumelnder Leuchtkäfer gewesen, der zu dem wimmelnden Getier hinabfiel, das dort unten bei seinen nächtlichen Umtrieben innehielt und erwartungsvoll den Kopf hob. Aber der Fahrstuhl ins Verderben wurde angehalten. Die Tragfläche richtete sich gerade, und die Bäume, die schon ihre Kronen nach uns ausgestreckt hatten, blieben unter uns zurück. Felicité hielt sich ihr rechtes Handgelenk. Nun war sie nicht mehr hart wie Stahl, sie wirkte, als habe sie alle Kraft verloren.
    »Hast du hier irgendwo eine Taschenlampe, Gustav?«, hörte ich De Vries zu Wessing sagen.
    Felicités Schluchzen, so dicht neben mir, erschütterte mich. Körperlich, weil sich unsere Schultern berührten, seelisch, weil ich das Gefühl hatte, sie schon wieder im Stich gelassen zu haben. Ich stand nicht auf ihrer Seite. Dabei hätte ich gern dort gestanden, es hätte mir Ehre gemacht. Sicher hätte ich ihr nicht dabei geholfen, Wessing zu erstechen, trotzdem schämte ich mich vor ihr. Frau Dr.   Decker erschien vor mir und nickte mir zu wie ein Marabu. Also legte ich Felicité meine Hand auf den Oberarm, ganz leicht nur.
    Sofort schüttelte sie mich ab, mit einer Bewegung, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. Schnell nahm ich die Hand wieder weg. Auch Marabus haben manchmal unrecht. Vor mir im Cockpit flammte das Licht einer Taschenlampe auf.
    »Herr Jesper«, De Vries hatte sich umgedreht, »können Sie mir mal helfen?«
    Er beleuchtete seinen Arm mit der Lampe. Das aufgekrempelte Hemd und der Arm waren dunkel von Blut. Von seinem Ellbogen tropfte es wie aus einer Regenrinne. Mein Magen zog sich zusammen. Oberhalb seines Handgelenks klaffte eine tiefe Wunde, ein paar Zentimeter lang.
    »Ich glaube, wir sollten das erst mal abbinden.« De Vries zerschnitt mit Ze Zés Messer den Hemdärmel. Auf der Klinge waren Blutspritzer. Nach seinen Anweisungen band ich den Stoffstreifen um seinen Oberarm und zog ihn fest.
    »Danke.«
    Er beleuchtete eine Sekunde lang mein Gesicht mit der Lampe. »Alles in Ordnung, Herr Jesper?«
    Ich nickte. Um Felicité kümmerte sich niemand. Offenbar hielten weder De Vries noch Wessing sie weiter für gefährlich. Vielleicht ein Fehler, dachte ich. Erstens saß ich direkt neben ihr und hatte deshalb Gründe, mich in Acht zu nehmen, zweitens kenne ich mich aus mit temperamentvollen Frauen. Sie wäre durchaus zu einem zweiten Anlauf in der Lage gewesen, Lea war ohne Weiteres in der Lage gewesen, mehrere Wutanfälle, unterbrochen von regenerierendem Weinen, zuwege zu bringen. Aber

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