Gabun - Roman
Oder gab es im Urwald Tankstellen? Ich wusste es nicht, ich war müde. Ich hörte auf das Brummen des Motors, fühlte die unsichtbare Wand, die mich von Felicité trennte, und ergab mich in das Unvermeidliche. Wir würden stundenlang durch die Nacht fliegen, ich würde tun, was man mir anwies, und mit ein wenig Glück würde ich, wenn ich nichts falsch machte, in drei Tagen zu Hause sein. Ich habe immer einen gesunden Schlaf gehabt. Obwohl ich es vermeiden wollte, mich an Felicité anzulehnen, schlief ich schließlich an sie gelehnt ein.
ACHT
»Wachen Sie auf, Herr Jesper. Wir landen.«
Jemand hielt mich an der Schulter gefasst. De Vries’ Stimme holte mich zurück aus Charlottenburg, wo ich eben noch gewesen war, in dem schicken Hotel, in dem ich mit und unter Lea gearbeitet hatte. Sie hatte mir gerade zugelächelt, mit ihrem privaten Lächeln, als sie an der Portierstheke vorbeiging, hinter der ich meinen Platz hatte, seriös mit Binder um den Hals. In ihrem grauen Kostüm, das Haar elegant hochgesteckt, in Begleitung eines Herrn vom Management, mal wieder unterwegs zu einer Besprechung. Besprechungen mit Herren der Geschäftsleitung kamen öfter vor im Hotel, dennoch schenkte Lea diesen Herren, soviel ich wusste, nur ihr professionelles Lächeln. Das private Lächeln bekam ich, und es stand noch immer vor mir, als ich die Augen öffnete. Das Lächeln in meinem Traum hatte verheißen, dass mir alles vergeben war, und es enthielt die Aussicht darauf, dass Leas Kinderhände mich nach Feierabend davon überzeugen würden, dass wir eine Zukunft hatten. Aber Leas Lächeln wurde vom warmen Nachtwind weggeblasen.
Ich hörte wieder das ohrenbetäubende Röhren des Flugzeugmotors, und mein Magen machte einen Sprung nach oben, als wir hinuntersackten, um irgendwo in der Finsternis zu landen.
Direkt vor mir runzelte sich Wessings Nackenhaut, seine Haarstoppeln stachelten gegen den Hutrand. Neben ihm sträubte sich De Vries’ grauer Haarschopf im Wind. An meiner linken Seite schlief Felicité, schlief sie? Ihr Gesicht war abgewandt.
Ein paar Palmwedel wischten an uns vorbei, dann hatten die Räder Bodenkontakt. Das Flugzeug machte einen kleinen Sprung, dann holperten wir auf einer ebenen Piste entlang. Rollten noch ein Stück, Wessing trat auf die Bremse. Schaltete den Motor ab.
»Wenn das hier erledigt ist, machen wir eine Pause«, sagte De Vries. »Eine Stunde schlafen, aber in der Maschine.«
Wessing nickte, halb nach hinten gewandt. Er bückte sich zum Armaturenbrett hinunter. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er eine Pistole in der Hand. Er stieg aus den Gurten und schob die Waffe in den Bund seiner Hose. Ich starrte auf den Griff der Pistole, der aus seinem Gürtel herausragte, so selbstverständlich wie bei anderen Leuten ein Portemonnaie. De Vries drehte sich zu uns um.
»Wir brauchen Treibstoff«, erklärte er. »Wir haben das meiste geschafft. Wir befinden uns an der Bahnlinie, die dem Kasai folgt. Das hier ist bloß ein kleiner Bahnhof mit einem Flugplatz. Gustav besorgt uns Sprit, ich gehe mit ihm. Es ist nicht gefährlich, niemand rechnet mit uns. Bleiben Sie bitte trotzdem im Flugzeug, gehen Sie nicht raus.«
Ich sah aus dem Fenster. Über mir hing, an einer Palme befestigt, eine Lampe. Sie beleuchtete eine Reihe anderer Palmen. Weiter hinten hing die nächste Lampe. Im Dämmerlicht konnte man den glänzenden Schienenstrang erkennen. Auf einem Gleis standen Wagen mit Containern darauf. Durch das offene Fenster kamen die Nachtgeräusche des Dschungels, das schon vertraute Konzert der Insekten und Amphibien, die sich nachts nicht einkriegen konnten vor Fresslust und Fortpflanzungsdrang. Es roch nach dem Dunst von Fäulnis und ungebremstem Pflanzenwachstum, nach Rauch, Müll und nach Benzin. Und es war heiß. Sehr heiß. Um die einsame Lampe dort oben an der Palme kreisten schwarze Flugobjekte, Fledermäuse oder große Insekten, die von dem müden Licht begeistert waren, es wahrscheinlich für den Vollmond hielten.
»Wie bist du eigentlich ins Flugzeug reingekommen?«, fragte ich. Es war mir inzwischen egal, ob Felicité mir antwortete oder mich verfluchte.
»Ich habe Müllsäcke zum Flugzeug getragen«, sagte sie, ohne ihre Haltung zu verändern. »Wessing stand dort und passte auf. Einmal ging er für ein paar Minuten weg. Dann war ich drin. Und du?« Sie wandte sich mir zu und musterte mich kühl. »Du hast dich von De Vries anheuern lassen, oder?«
»Ich wollte weg aus der Lodge.
Weitere Kostenlose Bücher