Gabun - Roman
Vries’ Kopfstütze zu der Wessings und hielt sich daran fest. Ich überlegte, wie viel Entschlossenheit es brauchte, um mit diesem Messer Wessing ernsthaft zu verletzen, und kam zu dem Schluss, dass Felicité es ernst meinte.
»Ich weiß, was Sie vorhaben«, sagte sie, »und weshalb Sie in die Lodge gekommen sind. Sie kaufen Coltan im Kongo, Sie kaufen auch einiges andere, aber zurzeit vor allem Coltan, so viel Sie kriegen können. Das tun Sie, weil die Cash-Handys von Safaricom vor ein paar Monaten einen Handyboom in Afrika losgetreten haben. Die Rohstoffpreise für Tantal haben sich verdreifacht. Das war es, was Sie mit Saffkin besprochen haben. Sie haben ihn zu uns auf die Lodge gelockt, um ihn aus diesem Geschäft zu werfen. Deshalb ist er verschwunden, wohin auch immer.«
De Vries legte seinen Ellbogen auf die Lücke zwischen den Kopfstützen und stützte das Kinn darauf. Sein Gesicht war direkt vor mir, seine Haare wirkten wie das Gefieder eines seltsamen Vogels. Er nickte ein paarmal, dabei legte er den Kopf ein wenig schräg und versuchte, Felicité ins Gesicht zu sehen.
»Mein Kompliment, Mademoiselle. Sie haben gut recherchiert. Fast alles daran ist richtig, nur nicht Ihre Schlussfolgerungen. Alexander wollte nämlich umgekehrt mich ausbooten. Ich vermute, dass er sein Verschwinden inszeniert hat, um mich in der Lodge festzunageln. Irgendjemand hat ihm dabei geholfen, ich wüsste gerne, wer das war. Das werde ich noch herausfinden. Was glauben Sie wohl, Mademoiselle, weshalb Saffkin sich mein Satellitenhandy ausgeliehen hat, bevor er verschwunden ist? Mit allen gespeicherten Kontakten darauf? Ich muss zugeben, dass er mich an der Nase herumgeführt hat. Ich habe ihm vertraut. Ich dachte, wir wären Partner. Er hat jetzt einen Tag Vorsprung. Wenn ich in Ihrer Lodge mit der Polizei von Libreville verhandeln müsste und dazu noch meine Sachen beschlagnahmt werden würden, hätte er mindestens eine Woche Vorsprung. Wissen Sie, was er in dieser Zeit tun wird? Nein? Das können Sie auch nicht wissen.«
»Vielleicht doch«, sagte Felicité.
Sie starrte De Vries mit zusammengepressten Lippen an. Ich spürte, wie rasch ihr Atem ging, obwohl die Stelle, an der unsere Schultern sich berührten, vielleicht so groß war wie eine Briefmarke.
»Also was?«
»Er macht das Coltangeschäft mit den Chinesen. Die werden nämlich die Handys für Safaricom bauen.«
»Touché«, sagte De Vries. »Sie haben ein Talent für Zusammenhänge.«
»Dann sind Sie eben aus einem Geschäft draußen«, sagte Felicité. »Was tut das schon. In einigen anderen treiben Sie Ihr schmutziges Spiel weiter.«
»Und warum auch nicht, Mademoiselle? Welchen Grund haben Sie, mir das übel zu nehmen?«
»Leute wie Sie verkaufen dieses Land und richten es zugrunde. Dabei bleiben sie hübsch unter sich und pflegen ihre Selbstgerechtigkeit, die Sie so launig vertreten beim Champagnertrinken. Aber dieses Mal mache ich Ihnen einen Strich durch die Rechnung, das schwöre ich. Fliegen Sie zurück, und zwar sofort. Sonst schneide ich Ihrem Piloten hier die Kehle durch, und wenn wir alle dabei draufgehen.«
Ich spürte den Diamanten an meinem Oberschenkel. Den Beweis für meinen Verrat, für meine Haltlosigkeit. Und ich hatte gedacht, Felicité würde mir vergeben. Zwei Geschenke hatte ich bekommen, seitdem ich in Afrika war. Eines war Blutgeld, wie mir im Augenblick wieder klargemacht worden war, das andere ein verwesender Schädel, den ich nicht loswurde. Das waren keine Geschenke, es war ein Fluch in zwei verschiedenen Ausführungen.
Ich fühlte mich nicht gut. Einen halben Meter von mir entfernt drückte Felicité ein Messer an Wessings Hals, und die Situation spitzte sich zu, im wahrsten Sinn des Wortes. Wessings Ruhe war kein gutes Zeichen für Felicités Pläne. Und ich glaubte auch nicht, dass De Vries aufgeben würde.
»Ich verstehe Sie, Mademoiselle«, sagte er in das Röhren des Motors hinein. Er wirkte ein wenig geknickt. Vielleicht täuschte ich mich ja in ihm. »Sie sind überzeugt von Ihren Idealen«, fuhr er fort. »Das ehrt Sie, ich respektiere das. Und wenn ich Sie bitte, mir trotz Ihrer Bedenken eine Chance zu lassen?«
Während er das sagte, beugte sich De Vries weiter über den Rücksitz. Er wollte Felicité seine Bitte möglichst nahebringen, so wirkte es jedenfalls.
Von irgendwoher war ein Stofftaschentuch in seine Hand gekommen, mit dem er sich über die Nase wischte. Ein Trick, ich spürte es sofort. Aber was für ein
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