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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Lodge würde Vergangenheit sein. Fox und Farouk, auch Ze Zé würden mir vergeben, am Ende auch Felicité. Sie würden mir vergeben, weil ich nicht von Bedeutung war bei dem, was sie vorhatten. Ich war bloß ein Zaungast gewesen.
    Ob ich mir selbst vergeben konnte, wusste ich noch nicht. Alles ging zu schnell, zur Vergebung braucht man mehr Zeit. Natürlich wusste ich, dass Diamanten von armselig gekleideten Leuten aus dem Dreck gekratzt wurden, Aufseher mit Gewehren hinter sich, aber in diesem Moment war mir das egal. Ich hatte ja kaum etwas damit zu tun, beruhigte ich mich. Ich überbrachte nur eine Anzahlung, in landestypischer Währung sozusagen. Mein Gewissen würde schon verkraften, was ich tat. Es kam vor, dass ich nicht meinen Überzeugungen gemäß handelte, schon weil ich mir das gar nicht zutraute.
    De Vries war stehen geblieben. Ich stoppte ebenfalls. Er lauschte mit seitwärts geneigtem Kopf, seine Hand lag wie selbstverständlich auf dem Futteral mit dem Gewehr. Auf der Jagd. Mein Herz fing an zu klopfen. Dann ging er weiter, die letzten Meter zum Flugzeug hinüber. Als ich den Riemen meiner Tasche höher auf die Schulter schob, fiel mir noch etwas ein, was mich zusammenzucken ließ. Ich griff in die Tasche und wühlte darin. Meine Sachen hatte ich vorhin einfach so hineingestopft, in der Dunkelheit hatte ich kaum erkennen können, was es war. Ich bohrte meine Hand zwischen T-Shirts, Unterhosen, Hemden, ich wusste, wonach ich suchte, und dann fühlte ich ihn: rund, steinhart, eingewickelt in die Plastiktüte. Ich wurde ihn nicht los. Sofort stolperte ich, über nichts weiter als über diese Erkenntnis.
    De Vries hielt mich am Arm. »Vorsicht«, sagte er. »Steigen Sie ein.«
    Er stellte den Fuß auf die Radabdeckung des Flugzeugs und öffnete die Tür für mich. Ich schwang mich in die Kabine. Sah die beiden Steuerräder im Cockpit, die vielen Armaturen, niemand war dort. De Vries zeigte auf die Bank in der zweiten Reihe, dahinter war das Flugzeug mit Müllsäcken ausgestopft, schon für den nächsten Einkaufsflug vorbereitet. Als De Vries auf dem rechten Pilotensitz Platz genommen hatte, wurde die Tür auf der anderen Seite geöffnet. Noch jemand schwang sich herein, mit einem breitkrempigen Hut auf dem Kopf. Ich traute meinen Augen nicht.
    »Gustav?«
    Wessing tat, was in solch einem Augenblick von ihm zu erwarten war. Er drehte sich um, fixierte mich aus einem ironischen Faltenwurf heraus und zwinkerte mir zu.
    »Wir sollten uns beeilen, Herr Jesper«, sagte de Vries. »Schnallen Sie sich an.«
    Wessing drehte den Anlasser. Lärm zerriss die Nacht. Die Scheinwerfer des Flugzeugs gingen an, beleuchteten den abgemähten Grasstreifen, aus dem die Piste bestand. Wessing ließ das Flugzeug zur Mitte der Grasbahn rollen, dann gab er Vollgas. Die Fliehkraft drückte mich in die Sitzpolster, wir schossen auf die Dunkelheit zu, die am Ende der Piste hinter hohem Gras stand wie eine Mauer. Ich schloss die Augen.
    Und öffnete sie wieder, als wir abhoben, fünf Sekunden später. Wir drehten im Steigen eine Rechtskurve. Unter uns die Lichtung, vom Mondlicht beschienen, darauf das kreisförmige Ornament der grasgedeckten Pavillons. Der einzeln stehende Küchenschuppen. Die Tafel. Alles schon aus der Kirchturmperspektive. Die Kurve ging in eine Gerade über, und ich musste den Kopf rückwärts drehen, um einen letzten Blick auf die Lodge zu werfen. Sie sah so friedlich und still aus, als befände sie sich bereits in einer anderen Zeit.
    Wir überflogen den Fluss, eine Silberader mit kleinen und kleinsten Verästelungen, der Mond holte sie unter dem dunklen Flor der Urwaldbäume heraus. In geringer Höhe, schnurgerade, steuerte Wessing das Flugzeug irgendwohin, über uns sah ich durch das gewölbte Kabinenfenster die Sterne, die über den ganzen Himmel ausgeschüttet schienen bis hinunter zum Horizont.
    Wessing schien zu wissen, wohin er wollte. Den speckigen Hut auf dem Kopf, die Ärmel aufgekrempelt. Sein Gesicht im dunklen Cockpit beleuchtet von den Lämpchen am Armaturenbrett. Entspannte Querfalten, der unrasierte Bart ein unebenes Stoppelfeld.
    De Vries kramte in seiner Tasche. »In einer knappen Stunde sind wir da. Ich werde uns schon mal ankündigen.«
    Ich hörte ihn auf seinem Handy tippen, der goldene Siegelring an seinem Finger glänzte. Roch Wessings Zigarette, der Rauch trieb nach hinten, zog an mir vorbei durch das halb geöffnete Fenster. Der Motor warf eine Kette Explosionen aus den Auspuffrohren in

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