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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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wir den Fluss und flogen am jenseitigen Ufer entlang. Auch hier eine Reihe von Inseln, das Ufer durchbrochen von schwarzen Flussadern, die sich im Wald verloren. In großen Abständen ein paar Lichter am Boden. Schemen von Gebäuden, meist mit Wellblechdächern gedeckt, huschten unter uns vorbei. Eine flackernde Neonlampe an einer Stange, filigrane Linien von Zäunen. Hier und dort standen Fahrzeuge herum wie vergessenes Spielzeug. Wir huschten über die Lichtkegel von Autos hinweg, die unter Bäumen auftauchten und verschwanden. Die hereinströmende Luft blies uns die nächtliche Hitze ins Gesicht. Der Mond blieb in der linken Windschutzscheibe gefangen, nahe dem gläsernen Kreis des surrenden Propellers. Ich fragte mich, wie Wessing in diesem Gewirr von Wasserarmen die Mündung eines Flusses finden wollte.
    »Jetzt«, sagte De Vries, das Handy am Ohr. »Endlich! Bonsoir.«
    Er fing an, französisch in sein Handy zu sprechen. Ich verstand nicht viel, bemerkte aber, dass Felicités Erstarrung sich löste, sie hob den Kopf, um zuzuhören. De Vries sprach rasch, in forderndem Tonfall. Es ging um Änderungen, so viel bekam ich mit. De Vries wollte keine Änderungen. Warum nicht in Bandundu, fragte er ein paarmal zornig. Ja, meinte er, in Bandundu. Nirgendwo sonst. Es wäre so verabredet. Und warum nicht? Er werde sich noch einmal melden, schloss er und drückte auf »Aus«.
    »Das gefällt mir nicht, Gustav«, sagte De Vries. »Gefällt mir überhaupt nicht.«
    Er strich sich mit ausgestrecktem Zeigefinger an der Nase entlang, das Handy klemmte noch in seiner Hand.
    »Das war jemand, den ich nicht kenne«, fuhr er fort. »Der möchte, dass wir woandershin fliegen, nicht nach Bandundu. Das wäre zu gefährlich, sagt er. Er will uns anweisen.« De Vries sah Wessing an. »Was denkst du?«
    Wessing blies den Rauch aus, den er eben inhaliert hatte. Die hereinströmende Luft erfasste ihn, wirbelte ihn durch die Kabine.
    »Die wollen uns reinlegen«, sagte er.
    »Das glaube ich auch«, meinte De Vries. »Saffkin hat bereits vorgearbeitet.«
    »Der Tank ist voll.« Wessing sah zu De Vries hinüber, seine Brauen hatten einen ermutigenden Schwung. »Vielleicht reicht es bis Katanga.«
    De Vries lächelte. »Das wären acht, eher neun Stunden, Gustav. Einiges über tausend Kilometer.«
    Wessing nickte. »Kann hinkommen.«
    »Was haben Sie eigentlich vor?«, fragte Felicité auf Französisch.
    Ihre Frage war eine, die auch ich hätte stellen können, aber ich machte den Mund nicht auf, ich hätte mit der Antwort ohnehin nicht viel anfangen können. Und das Flugzeug brummte unaufhaltsam weiter mit uns vieren über das Territorium der Demokratischen Republik Kongo und näherte sich mit einer Geschwindigkeit von hundertfünfzig Stundenkilometern Gegenden, in denen nichts weniger als sichere Verhältnisse herrschten.
    »Wir mussten unsere Pläne ändern, Mademoiselle«, antwortete ihr De Vries. »Ich wollte ursprünglich in Bandundu umkehren. Herr Jesper sollte von dort aus weiterfliegen und eine Nachricht für mich nach Katanga bringen. Aber es sieht so aus, als wäre Alexander Saffkin uns zuvorgekommen. Jemand, den ich nicht kenne, hat mir gerade am Telefon vorgeschlagen, ich solle nicht in Bandundu landen, man müsse das Ganze umorganisieren. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube, dass man uns eine Falle stellen möchte. Deshalb fliegen wir jetzt direkt nach Katanga weiter. Das ist die einzige Chance, Saffkins Vorsprung noch einzuholen.«
    De Vries wandte sich mir zu. »Ich werde Sie natürlich trotzdem bezahlen, Herr Jesper. Und Sie, Mademoiselle, müssen uns noch ein wenig Gesellschaft leisten. Wenn alles erledigt ist, können Sie beide morgen wieder zurückfliegen.«
    Felicité antwortete ihm nicht. Sie wich seinem Blick aus. Ich sah, dass sie sich auf die Lippen biss.
    »Gut«, schloss De Vries. Er wandte sich an Wessing. »Ich schlage vor, wir fliegen nicht bis zur Mündung hoch, Gustav. Damit verlieren wir Zeit. Traust du es dir zu, den Kasai unterwegs zu finden?«
    »Sicher. Wir haben ja das Navi.« Wessing deutete auf das Satellitennavigationsgerät am Armaturenbrett. »Kann kaum schiefgehen. Wir sollten sicherheitshalber erst mal der Eisenbahnlinie folgen, wenn wir sie finden. Da können wir auch tanken.«
    Wessing redete, als ginge es um eine Autobahnfahrt von Berlin nach Köln, vorbei an Raststätten, Tankstellen, Ausfahrten und Hotels. Aber ich wusste genau, dass nur Luft vor uns lag, in der nichts davon vorhanden war.

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