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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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unversehens in ein Vogelnest geraten ist.
    »Du musst aber! Ich kann es auch nicht«, zischte Felicité.
    Solche Logik hätte mich in ruhigen Zeiten leicht eine Viertelstunde lang beschäftigen können. Aber wir hatten keine Viertelstunde, wir hatten wahrscheinlich nur noch eine Minute oder zwei. Ich überlegte ernsthaft, ob wir uns nicht einfach ergeben sollten, und starrte hilfesuchend zur Schuppentür hinüber, wo sich nichts rührte. Dafür waren die beiden Autos jetzt fast am Ziel, ihre Scheinwerfer beleuchteten unser Flugzeug. Ich streckte den Kopf aus dem Fenster und erblickte den vorderen Pick-up, der direkt auf uns zufuhr. Auf der offenen Ladefläche stand ein Haufen Männer, geisterhaft illuminiert von den Scheinwerfern des nachfolgenden Wagens. Ich meinte, sie brüllen zu hören, sie hielten Gerät in den Händen, Hacken oder Knüppel, und sie sahen aus wie eine Abordnung von Heizern aus der Hölle. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sie uns in dreißig Sekunden aus der Maschine zerren und massakrieren würden, wenn uns nicht sofort etwas einfiel.
    Felicité langte ans Armaturenbrett, dort steckte der Schlüssel, das bemerkte ich erst, als sie ihn umdrehte. Der Motor sprang an. Ich tat reflektorisch, was ich in meinem Subaru getan hätte. Unter meinem Fuß fühlte ich ein Pedal, ich gab Gas. Es tat sich nichts. Felicité riss an einem Hebel in der Mitte des Armaturenbretts. Der Propeller röhrte auf, es war der Gashebel, und das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Wir rollten, schneller werdend, unter dem Schummerlicht der blakenden Hängelampen die Piste entlang, verfolgt von zwei Pick-ups mit gewaltbereiten Kongolesen. Mein Herz raste, oder es stand still, ich klammerte mich an das Steuerrad. Felicités Finger irrten wie bei einer dringlichen Beschwörung über die Armaturen, und plötzlich flammte Licht auf. Vor uns leuchteten hundert Meter Gras auf, dahinter eine dunkle Wand aus Bäumen. Da ich keine Ahnung hatte, wie man wendet oder wie man eine Kurve dreht, gelangte ich irgendwie zu der Überzeugung, dass Umkehren nicht mehr möglich war und es nun galt, alles einzusetzen. Ich zog den Hebel, von dem wir jetzt wussten, dass es der Gashebel war, bis zum Anschlag nach hinten. Das Flugzeug schoss nach vorn, wir machten lange Bocksprünge über die löchrige Piste, aber wir flogen nicht. Die Baumreihe kam rasend schnell auf uns zu, eine zwanzig Meter hohe schwarze Wand.
    Felicité schrie mir etwas ins Ohr, ich reagierte nicht, da packte sie ihren Steuerknüppel, an meinem klammerte ich mich mit beiden Händen fest wie ein widerspenstiger Krake, aber als er mir entgegenkam, begriff ich, und wir rissen unsere Steuerräder nach hinten. In dem Augenblick, als das Flugzeug die Nase hochnahm, hörte ich ein hartes »Plang«, und die rechte Windschutzscheibe verwandelte sich in ein Spinnennetz, das ein Loch in der Mitte hatte. Den Knall des Schusses hörten wir nicht, er ging unter im Dröhnen des Motors. Das Flugzeug stieg so steil in die Höhe, dass wir wahrscheinlich einen Looping gedreht hätten, wenn wir es nicht gemeinsam hingekriegt hätten, die Maschine halbwegs zu trimmen. Das taten wir in einem Antagonismus aus Angst und Besonnenheit, ich riss am Steuerknüppel, und Felicité bremste meine spastischen Bewegungen wieder ab.
    So kam das Flugzeug mit einigem Wackeln aus dem Steilflug in eine Linkskurve und schraubte sich in den Nachthimmel hinauf. Wir schnauften vor Anstrengung so laut, dass wir einander trotz des Motorenlärms hören konnten. Die Linkskurve endete, als ich meine Füße bewegte, die ich auf die Pedale der Seitenruder gestellt hatte. Ich hatte herausgefunden, dass man damit Kurven fliegen konnte, und erreichte, dass das Flugzeug kippte und in eine scharfe Rechtskurve ging. So entfernten wir uns in Schlangenlinien von dem Geisterflugplatz, auf dem jetzt zwei Pick-ups standen mit lynchbereiten Typen darauf, die uns hinterherschauten und vermutlich darauf warteten, dass wir wieder herunterfielen. Wir entfernten uns auch unwiderruflich von De Vries und Wessing, die sicher selbst mit dringenden Problemen konfrontiert waren.
    Draußen vor den Kabinenfenstern erschienen die Sterne. Unter uns rollte ein Teppich aus dunklen Baumkronen ab, deren Spitzen im Mondlicht ein kaltes Grün zeigten, von hier oben sah es aus wie ein großes, ordentliches Feld mit Grünkohl. Ich sah zu Felicité hinüber. Sie legte mir ihren gesunden Arm um die Schulter und gab mir einen Kuss auf die Wange.
    »Voilà!

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