Gabun - Roman
Deshalb.«
Felicité nickte. Sie massierte mit den Fingern ihr rechtes Handgelenk. »Schon gut. Ich mache dir keinen Vorwurf. Aber diese Leute zerstören alles, was wir aufgebaut haben.«
»Was hattest du überhaupt vor?«
»Das weiß ich selbst nicht genau.« Sie schnaubte durch die Nase. »Ich wollte einfach nicht tatenlos zusehen, wie die ihr Ding drehen. Ich wollte sie dazu zwingen zurückzufliegen.«
Das Licht der Lampe fiel auf ihr Gesicht. Sie war mir nicht böse, auch jetzt nicht, stellte ich fest. Mir konnte man auch nicht böse sein. De Vries konnte man hassen, Wessing sicher auch und Olson sowieso, aber mich wahrscheinlich nicht. Nicht hassenswert. Dass ich meinerseits sauer auf sie sein könnte, kam mir nicht in den Sinn, obwohl sie mich um ein Haar vor ein paar Stunden ihren Überzeugungen geopfert hätte.
»Wieso wolltest du weg aus der Lodge?«, fragte sie.
Ich horchte auf den aggressiven Geräuschteppich draußen. Stellte mir vor, wie dort, wo der Wald begann, in diesem Moment gefressen und getötet wurde. Zähne und Klauen.
»Ich habe mich geschämt, vielleicht deshalb«, sagte ich, zu meiner eigenen Überraschung unzensiert, und setzte hinzu: »Ich kam mir vollkommen unnütz vor.«
Ich neige sonst nicht dazu, die Wahrheit zu sagen, in der Regel bekommt mir das nicht. Aber bestimmte Leute bringen mich dazu. Frau Dr. Decker zum Beispiel und jetzt Felicité.
»Wegen Olson? Weil du ihn nicht attackiert hast, wie Farouk?«
»Unter anderem ja«, gab ich zu.
»Das ist eben nicht deine Art«, stellte sie fest, als wäre damit alles Nötige gesagt.
Nicht meine Art. Das stimmte. Aber was zum Teufel war meine Art?
In diesem Augenblick hörte man Leute reden, sie kamen näher. Ich konnte De Vries’ Stimme erkennen und noch andere, fremde dabei. Und alle schrien durcheinander. Es klang unfreundlich. Meinem Gefühl nach um einiges unfreundlicher, als man es ist, wenn man um drei Uhr nachts aus dem Bett geholt wird.
»Die haben Ärger«, sagte Felicité. »Komm, wir gehen raus. Ich möchte wissen, was da läuft.«
Sie zwängte sich an mir vorbei zur Tür. Wir verließen das Flugzeug, obwohl uns De Vries davor gewarnt hatte, aber Felicité hielt sich nicht an Warnungen, das war eben nicht ihre Art.
Die Graspiste verlief direkt neben den Bahngleisen, beschienen von den schwindsüchtigen Lampen, alle umwabert von den gespenstischen Flattertieren wie von einer kleinen dunklen Wolke. Ein paar hundert Meter weiter standen ein paar wellblechgedeckte Schuppen, davor ein alter Geländewagen in verblichenem Weiß und zwei Sportflugzeuge, kleiner als unseres.
Fünfzig Meter von uns entfernt sah ich De Vries in lebhaftem Gespräch mit zwei jungen Männern, die Camouflagehosen trugen. Ihre Oberkörper waren nackt, und ihre schwarze Haut glänzte. Auch im fahlen Lampenlicht konnte man erkennen, dass sie die Muskulatur von Zehnkämpfern besaßen. Einer von ihnen hatte dünne Kabel im Ohr, die in seiner Hosentasche endeten. Der nicht verkabelte Mann hatte eine große eiserne Zange in der Hand, die er in einer schwingenden Bewegung hielt. Die andere Hand schwebte zur Faust geballt unter De Vries’ Nase. Die drei redeten laut durcheinander, ich konnte bloß ein paar französische Brocken entschlüsseln. Wessing nahm an der Unterhaltung nicht teil. Er hielt sich ein Stück entfernt, beide Daumen in den Gürtel seiner Jeans gehakt, die Beine leicht gegrätscht wie ein ungeduldiger Fußballtrainer, der seine Mannschaft beobachtet.
Der Mann mit der Zange hatte eben zweimal laut »Non!« gerufen. Jetzt machte er den Mund zu und schob die Unterlippe vor. Er starrte De Vries böse an. Sein Gesichtsausdruck wie ein Beispiel für die nonverbalen Zeichen der Aggressivität in einem Lehrbuch. De Vries hielt ein Bündel Geldscheine in der ausgestreckten Hand, vielleicht zu wenig.
Sie bemerkten uns in dem Moment, als De Vries die Geldscheine wieder zurückzog. Alle vier Gesichter wandten sich uns zu, das heißt. vermutlich wandten sie sich Felicité zu. Die beiden muskelbepackten Unbekannten zeigten eine fassungslose Miene, ungefähr so wie die Leute, die sich in der Cola-Werbung gerade in der Wüste schinden, wenn der Getränketransporter eintrifft. Ein paar Zikaden gaben ihre Morsezeichen dazu ab. Die sekundenlang in Staunen eingefrorene Szene hatte die Brisanz eines Pulverfasses, auf das eine brennende Zündschnur zuläuft.
Als Erster handelte Wessing. Er brach den Bann, indem er seine Pistole aus dem Hosenbund zog,
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