Gäbe es die Liebe nicht
blieb im Durchgang zum Salon stehen.
„Bestimmt“, versicherte Anna ihr.
Mrs. Ditmeyer winkte einem Dienstboten. „Charles, etwas Sherry für die jungen Ladys. Sie machen sich doch selbst bekannt?“ Und schon war sie wieder weg.
Myra schlenderte zur Bar. „Ich nehme einen Bourbon, Charles.“
„Und ich einen Martini“, erklärte Anna. „Trocken. Benimm dich, Myra. Ich weiß, sie ist anstrengend, aber ist sie nun einmal Herberts Mutter.“
„Du hast leicht reden“, klagte Myra und griff nach ihrem Drink. „Du hast in ihren Augen einen Heiligenschein und Flügel.“
„Du übertreibst.“
„Na gut, dann nur den Heiligenschein.“ Myra schaute sich im Salon um. „Armer Herbert. Da hinten steht er, in die Ecke getrieben von dieser entsetzlichen Mary O’Brian. Ich wette, sie ist hinter ihm her. Weißt du, irgendwie ist er auf seine vergeistigte Art sehr attraktiv. Schade, dass er so …“
„Ja?“
„So gut ist“, schloss Myra und hob das Glas, um ihr Grinsen zu verbergen. „Dort drüben ist übrigens jemand, den wohl niemand als gut bezeichnen würde.“
Anna brauchte sich gar nicht erst umzudrehen. Plötzlich kam ihr der Raum kleiner vor. Und wärmer. Wärmer und wie elektrisch aufgeladen. Sie spürte die Erregung, erinnerte sich an das herrliche Gefühl. Einen Moment lang geriet sie in Panik. Die Terrassentür lag rechts von ihr. Sie könnte hinausgehen und verschwinden. Gleich morgen würde sie Mrs. Ditmeyer anrufen. Irgendeine Ausrede würde ihr schon einfallen.
„Oh je.“ Myra legte Anna eine Hand auf den Arm und fühlte, wie sie zitterte. „Dich hat es ja schlimm erwischt.“
„Unsinn.“
Halb belustigt, halb besorgt musterte Myra sie. „Anna, ich bin es. Deine beste Freundin.“
„Er ist so beharrlich, das ist alles. Geradezu unverschämt. Das macht mich nervös.“
„Na gut.“ Myra wusste, dass es manchmal besser war, Anna nicht zu widersprechen. „Belassen wir es dabei. Aber ich glaube, du musst dich erst einmal beruhigen. Ich schlage vor, wir gehen zu Herbert und befreien ihn aus Marys Fängen.“
Keine drei Minuten später hatte Myra Mary O’Brian mit ein paar schnippischen Bemerkungen vertrieben. Herbert Ditmeyer wirkte irgendwie erleichtert.
„Nicht schlecht.“
Anna erkannte die Stimme sofort und erstarrte. Wie schaffte ein so großer Mann es nur, sich von hinten anzu schleichen?
„Guten Abend, Mr. MacGregor.“ Erfreut drehte Myra sich zu ihm um. Jetzt würde die Party doch nicht so langweilig werden, wie sie befürchtet hatte. „Wie fanden Sie das Ballett?“
„Sehr schön. Aber Ihr Auftritt eben war genauso gut.“
Herbert schüttelte Daniels Hand. „Auf Myra ist immer Verlass.“
Geschmeichelt sah Myra ihn an. „Danke“, meinte sie und traf eine spontane Entscheidung. Sie liebte Anna wie eine Schwester, und wenn Anna nicht wusste, was das Beste für sie war … „Ich glaube, ich brauche noch einen Drink vor dem Essen. Du bestimmt auch, nicht wahr Herbert?“
Kopfschüttelnd sah Daniel ihr nach, als sie Herbert mit sich zog. Dann wandte er sich wieder Anna zu. „Deine Frisur gefällt mir.“
Fast hätte sie danach getastet. Nach dem langen Tag in der Klinik hatte sie nicht viel Zeit gehabt, also hatte sie ihr Haar einfach nach hinten gebürstet. Doch anstatt sie ernst und sachlich aussehen zu lassen, ließ es ihr Gesicht verletzlich wirken. „Warst du schon einmal bei den Ditmeyers?“
„Du wechselst schon wieder das Thema.“
„Ja. Warst du?“
Er lächelte. „Nein.“
„Im Esszimmer steht eine großartige Sammlung Waterford-Kristall. Du solltest sie dir ansehen, wenn wir zu Tisch gehen.“
„Magst du Kristall?“
„Ja. Es sieht so kalt aus, bis das Licht darauf trifft. Und dann gibt es so viele Überraschungen.“
„Wenn ich dich zum Essen zu mir nach Hause einladen darf, zeige ich dir meine.“
Das mit dem Essen war natürlich Unsinn, aber der Rest interessierte sie. „Du sammelst auch?“
„Ich mag schöne Dinge.“
Sein Tonfall war unmissverständlich. Ihr Blick blieb so ge lassen und ruhig wie immer. „Wenn das ein Kompliment war, bedanke ich mich. Aber ich habe nicht vor, mich sammeln zu lassen.“
„Ich will dich nicht auf einem Regal oder in einer Vitrine, Anna.“ Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest, als sie sie ihm entziehen wollte. „Du bist ängstlich.“
„Vorsichtig.“ Anna betrachtete ihre und seine Hand. „Du hast meine Hand.“
Er beabsichtigte, sie zu behalten. „Hast du bemerkt, wie perfekt
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