Gaelen Foley - Amantea - 01
er Allegra aufmerksam. Sein durchdringender Blick ließ sie vermuten, dass er sie nun genauso wie am Abend zuvor behandeln wollte.
„Ich habe mich verabscheuungswürdig verhalten, und es tut mir herzlich Leid, Signorina Monteverdi.“
Überrascht sah sie ihn an. Hatte sie sich verhört?
„Verzeihen Sie mir?“ fragte er mit unsicherer Stimme.
Verwirrt schaute sie ihn an. „Natürlich.“
„Danke.“ Er drehte ihr den Rücken zu. „Mein ganzes Verhalten tut mir ausgesprochen Leid“, murmelte er. „Ich habe Ihr Leben zerstört, wie Sie mir das bereits mehrmals gesagt haben. Doch Sie, Signorina Monteverdi, haben mir mehr gegeben, als ich Ihnen je vergelten kann.“
Verwirrt blickte sie auf seinen breiten Rücken. Was um Himmels willen war denn los mit ihm?
„Deshalb habe ich Sie zur Alleinerbin meines Besitzes eingesetzt. Geben Sie mir Ihre Hand.“
„Sie haben ein Testament geschrieben?“ Als er zu ihr kam, streckte sie ihm die Hand entgegen. Er gab ihr einen kleinen Schlüssel, wobei er ihr jedoch nicht in die Augen sah.
„Das ist der Schlüssel zu einem Geldschrank. Wenn ich nicht zurückkommen sollte, möchte ich, dass Sie das Erbe der Fiori erhalten. Ich weiß, dass Sie die Papiere nicht verkaufen würden“, erklärte er mit kaum hörbarer Stimme.
„Den alten Fitzhugh habe ich als Ihren Begleiter einge- setzt, der Sie nach Martinique bringen wird, um Sie ei- nigen passenden Bekannten vorzustellen. Dort gibt es ein paar ältere Damen, die sich um Sie kümmern werden, bis man unter den dort ansässigen Plantagenbesitzern einen Gatten für Sie ausgewählt hat.
Ich bin mir sicher, dass Sie dort jemand Angenehme- ren als Ihren früheren Verlobten finden werden. Und da Sie noch immer eine ... Nun, es wird keine Schwierig- keiten geben, Ihrem zukünftigen Mann Ihre Sachlage zu erklären.“
Bleich vor Angst sah Allegra ihn an. „Mein Gott, Lazar, Sie befinden sich also wirklich in Gefahr!“
Er warf ihr einen zynischen Blick zu. „Machen Sie sich tatsächlich Sorgen um mich, chérie?“
„Warum sind wir hierher gesegelt?“
„Ach, das geht nur uns Piraten etwas an“, sagte er betont gleichgültig und ging zu seinem Schreibtisch zurück.
Allegra klopfte das Herz bis zum Hals. Ihre Hände wa- ren auf einmal schweißnass, und der Schlüssel klebte ihr an der Handfläche. „Bitte treiben Sie jetzt nicht wieder Ihr Spiel mit mir! Wohin werden Sie gehen?“
„In eine Art Hölle“, erwiderte er mit einem bitteren Lä- cheln. Dann senkte er den Kopf. „Ich habe hier gelebt, als ich ein Junge war. Nachdem ich Amantea verlassen hatte, trug ich meinen königlichen Siegelring bei mir. Der Herr und Meister jenes Ortes hat ihn mir genommen. Nun will ich ihn zurückverlangen.“
„Wer ist dieser Herr?“
Lazar blickte sie an und schien sich zu überlegen, ob er es ihr sagen sollte. „Er heißt Sayf-del-Malik“, erklärte er. „Das ,Schwert der Ehre’.“
„Können Sie ihn dazu bringen, Ihnen den Ring zurück- zugeben?“
„Wenn er erfährt, dass die Kanonen meiner Schiffe alle auf Al Khuum gerichtet sind, sollte Seine Exzellenz genügend Grund haben, mir zu gehorchen.“
„Und wenn er sich dennoch weigert?“ flüsterte Allegra.
Einen Moment erwiderte Lazar nichts. Endlich sagte er: „Ich werde mein Bestes tun. Aber wenn er versucht, mich zu demütigen, werde ich ihn auf Leben und Tod herausfor- dern. Er wird mich nicht noch einmal erniedrigen. Zwar mag er mir den Tod bescheren, meinen Stolz wird er jedoch nicht brechen.“
„Das würde er nicht wagen“, presste sie heraus. Sie verstand genau, was Lazar mit der Erniedrigung, von der er sprach, meinte. „Sie sind kein Junge mehr. Außerdem werden Ihre Männer bei Ihnen sein und Sie beschützen ...“
„Nein“, fiel er Allegra ins Wort. „Ich gehe allein.“
Sie hatte das Gefühl, als ob der Pirat Goliath ihr noch einmal einen Schlag versetzt hätte. „Allein?“
„Das ist die einzige Art und Weise, um hier vorzugehen.“ Er warf ihr einen grimmigen Blick zu. „Nur Mut, Signo- rina Monteverdi. Wenn ich in zwei Stunden nicht zurück- gekehrt bin, werden die Piraten mit vollen Breitseiten das
Feuer auf Al Khuum eröffnen. Schon bald sind Sie mich für immer los.“
Lazar ging zu seinem Schiffskoffer und nahm einen Wetzstein heraus. Er setzte sich an den Tisch und begann, seinen Krummdolch zu schleifen.
Neugierig sah er auf, als Allegra aufsprang und verzwei- felt die Fäuste in die Hüften stemmte. Entsetzt blickte sie
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