Gaelen Foley - Amantea - 01
Fantasiegestalt. Er war ein Mann aus Fleisch und Blut, und er hatte seine Bedürfnisse.
Auch ihr hatte er beigebracht, dass sie ebenfalls Be- dürfnisse hatte. Ihr fehlte die Berührung seiner rauen, schwieligen Hände, die so sanft, so verführerisch waren.
Warum musste ich ihm wehtun?
Was ist nur los mit mir, rügte sie sich selbst. Ungeduldig legte Allegra sich auf den Bauch und hörte auf das Knar- ren des Eichenholzes und das Schlagen der Wellen gegen den Schiffsbauch.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht
eine ganze Stunde. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie sein Gesicht vor sich, wie er ganz darauf konzen- triert war, sie zu küssen – an Stellen, von denen sie bis dahin nicht einmal geahnt hatte, dass man dort liebkost werden konnte. Allein der Gedanke daran ließ sie beinahe aufstöhnen.
War es überhaupt noch sinnvoll, sich ihm nicht hinzu- geben, wenn sie ihm bereits so vieles erlaubt hatte?
Vor ihrem inneren Auge sah sie, ja spürte sie geradezu, wie seine Hände über ihre Haut strichen, wie sie sich an seine breiten Schultern klammerte und die Konturen sei- ner Brust mit den Fingern nachfuhr. Unruhig drückte sie sich an seine schmalen Hüften und presste seine harte Männlichkeit an sich.
Als sie sich vor Sehnsucht nach ihm verzehrte, fiel ihr auf einmal ein, dass es auch ihr möglich sein musste, ihm jenes Vergnügen zu breiten, das er ihr bereitet hatte. Wie wunderbar es doch wäre, wenn er sich ihr voller Verlan- gen unterwerfen würde! Als Liebhaber hatte Lazar ihr un- glaubliche Wonnen bereitet, doch er hatte ihr nie gezeigt, wie sie ihm genauso viel sinnliche Freuden machen konnte. Welch herrliche Vorstellung, seinen prächtigen Körper mit den Lippen und den Händen zu berühren, so dass er sich vor Wollust unter ihr wand.
Plötzlich gab Allegra es auf, einschlafen zu wollen. Sie erhob sich und stieg aus der Koje. Mit zitternden Hän- den zog sie ihr Musselinkleid mit dem Rosenmuster über ihr Unterkleid an, knöpfte es zu und machte sich auf die Suche nach ihrem Entführer. Sie wollte sich bei ihm ent- schuldigen, ehe sie die Vernunft wieder davon abhalten würde.
Es ist das einzig Richtige, redete sie sich störrisch ein. Dieser Mann hielt schließlich ihr Schicksal in seinen Hän- den. Nur eine Närrin wäre dumm genug, sich ihn zum Feind zu machen.
Allegra warf einen Blick in den Speiseraum, doch dort war es dunkel und leer. Auch unter der Tür zu seiner Ka- jüte drang kein Lichtschein hervor. Entschlossen ging sie den düsteren, schmalen Gang zur hinteren Luke. Sie war die Leiter bereits zur Hälfte hinaufgeklettert, als sie La- zars tiefes, fröhliches Lachen hörte und feststellte, dass man über sie sprach.
„Also, was ist passiert, Kapitän? Wir wollen es alle wissen.“
„Schließt ihr wieder Wetten über mein Liebesleben ab?“ erkundigte sich Lazar mit gelassener Stimme.
„Schon gelangweilt?“ fragte ein Mann.
„Wollte sich nicht fügen, wie, Kapitän?“ warf ein anderer ein.
„Lasst ihn in Ruhe. Ein Mann muss sich wie ein Ka- valier benehmen“, hörte Allegra eine weitere Stimme. Sie vermutete, dass es sich um Mr. Donaldson handelte.
Lazar lachte träge. „Sie ist nicht nach meinem Ge- schmack. Das ist alles.“
Allegra holte tief Luft, während sie auf der Leiter stand und den Ausrufen und dem Spott der Männer lauschte.
„Wenn sie Ihnen nicht gefällt, nehmen wir sie gern!“
„Also, nun hört einmal zu. Signorina Monteverdi steht noch immer unter meinem Schutz“, erklärte Lazar.
„Werden Sie nicht das Bett mit ihr teilen, Kapitän?“
„Nicht einmal, wenn sie die letzte Frau auf Erden wäre“, erwiderte er bestimmt.
Allegra schluckte.
„Warum nicht, Kapitän? Sie ist ein hübsches Mädchen.“
Ja, warum nicht?
„Aye, sie ist ganz hübsch“, sagte er locker.
„Scheint für eine Frau auch nicht dumm zu sein.“
„Oh, sie ist durchaus mit Verstand gesegnet – und mit Tugend“, erklärte Lazar ohne einen zynischen Unterton. „Sie steht sogar auf einem Berg des Anstands und der Unanfechtbarkeit, so dass sie dem Ohr Gottes ganz be- sonders nahe ist. Glaubt mir, Burschen, keiner von uns gemeinen Kerlen ist es wert, auch nur ihren Saum zu berühren.“
Alle lachten.
Allegra stand in der Dunkelheit und traute ihren Ohren nicht. Doch Lazar hatte noch nicht zu Ende gesprochen.
„Nein, meine Herren. Trotz ihrer vielen Vorzüge ist Si- gnorina Monteverdi leider eine prüde, scharfzüngige kleine Krähe.
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