Gaelen Foley - Amantea - 01
vielmehr wie Bas- tarde behandelt werden, ganz gleich, ob sie königlichen Blutes waren oder nicht. Und wie würde man Allegra gegenübertreten?
Er kannte die Antwort darauf. Sie war so zartfühlend. Die Ablehnung, die sie bekäme, würde sie zutiefst verlet- zen und ihren Glauben an die Menschheit und die Welt zerstören – eines der Dinge, die er so sehr an ihr liebte.
Was ihm jedoch das meiste Schuldgefühl vermittelte, war die Tatsache, dass er ihr Verantwortungsgefühl und ihre Selbstlosigkeit dazu benutzt hatte, um sie nach seinen Wünschen zu formen.
Auch die Gründe, warum er sie nicht heiraten konnte, waren falsch. Nun, er hatte nicht wirklich gelogen, aber er hatte die Schlussfolgerung zugelassen, dass seine Wei- gerung einer Ehe mit ihr daher kam, dass er befürchtete, das Volk würde niemals eine Monteverdi als Königin an- nehmen. Außerdem hatte er behauptet, dass die kaiserli- che Mitgift der Prinzessin Nicolette nötig wäre, um die Wirtschaft der Insel wieder in Schwung zu bringen.
In Wahrheit wusste er jedoch, dass beide Hindernisse – die Ablehnung des Volks und der bevorstehende Bankrott Amanteas – mit der Zeit überwunden werden konnten. Der wirkliche Grund, warum er sie nicht heiraten wollte, war sein Fluch. Und wenn dieser nun tatsächlich nur in seiner Einbildung existierte?
Es überraschte ihn noch immer, dass sie ihn niemals darum gebeten hatte, sich ehrenhaft ihr gegenüber zu ver- halten – es war immer nur um Amantea gegangen. Für sich selbst hatte sie nichts anderes gewollt, als in seiner Nähe zu sein.
Doch selbst dieses Opfer könnte nicht genug sein. Denn sein Versuch, dem Schicksal aus dem Weg zu gehen, indem er sie als seine Geliebte und nicht als seine Gattin bei sich hielt, würde vielleicht scheitern.
Verdammt, es war einfach nicht gerecht. Sie verdiente es, die Königin zu sein. Amantea brauchte sie. Er selbst brauchte sie. Mit ihrer Vorstellungskraft und ihren Idea- len war sie gut für die Insel und gut für den König. Wie sollte er sein Bestes für sein Volk geben können, wenn sie nicht als seine Gemahlin an seiner Seite säße?
Was ist, wenn du dein ganzes Leben damit verschwen- dest, an etwas zu glauben, das es gar nicht gibt?
Aber der Beweis lag auf der Hand: Alle Mitglieder seiner Familie waren tot, nur er nicht. Wolfe war tot, doch er, La- zar, lebte weiter. Selbst der Hund, den er sich einmal ge- halten hatte, war bei einem Sturm über Bord geschwemmt worden.
Nein, das Wagnis war bereits groß genug, Allegra als seine Geliebte an seiner Seite zu haben. Er konnte es nicht riskieren, sie wegen des Fluchs, der auf ihm lag, in Gefahr zu bringen. Nur zu gut wusste er, dass das Schicksal es auf ihn abgesehen hatte. Einmal in seinem Leben wollte er sich selbstlos zeigen.
Das tiefe Blau des Atlantiks war in das warme Türkis der Karibik übergegangen. Während der vergangenen zwei Tage war es drückend heiß und bedeckt gewesen, und La- zar hatte Allegra mitgeteilt, dass er einen Sturm erwartete.
Im Moment warfen sie sich ein zerknülltes Blatt Papier zu, während sie darüber sprachen, wo die Universität, die sie planten, gebaut werden sollte. Da beide Hunger hat- ten, überlegten sie sich auch, was Emilio wohl für das Abendessen vorgesehen hatte.
Auf einmal vernahmen sie einen schrecklichen Lärm.
„Das scheint Donnergrollen zu sein“, sagte Allegra über- rascht. Sie schaute zum Balkon hinaus, und obgleich es draußen düster war, gab es keinen Regen.
Lazar blickte sie an und wurde bleich.
„Nein“, sagte er mit einer seltsam erstickten Stimme. „Das war eine Kanone. Man hat gerade auf uns geschos- sen.“
Der darauf folgende entsetzte Ruf eines Besatzungsmit- glieds vor der Kajütentür bestätigte die Vermutung. „Ka- pitän, es ist dieser verdammte neue britische Admiral, der wieder einmal unser Blut riechen will.“
Lazar trat mit drei raschen Schritten zu Allegra und fasste sie an den Schultern.
„Hole Wasser, Essen, Verbandszeug und ein paar Ker- zen. Hole die Decken und Kissen vom Bett und schlage im mittleren Frachtraum dein Lager auf. Nimm die Erbstücke der Fiore ...“
„Auch unsere Notizen?“
„Ja, Schatz. Ich gebe dir meine Pistole. Man weiß nie.“ Er brachte sie zum Schweigen, ehe sie noch protestieren konnte. „Der Vikar wird sie dir laden. Beeile dich. Bleibe nicht hier im Heck. Es wird eines der Hauptangriffsziele sein, ebenso wie der Bug.“
Allegra nickte. „Sei vorsichtig, mein Liebster.“
Er lächelte
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