Gaelen Foley - Amantea - 01
weitergab.
„Toppsegel einbringen und doppelt reffen, Männer! Vor- marsstenge stagen! Brasst die Rahen vierkant! Nockjollen backbrassen!“
Der Abendhimmel hatte jetzt ein dunkles Violett ange- nommen, das immer schwärzer wurde.
Lazar lehnte Harcourts Vorschlag, einen Wasseranker zu werfen, falls es zu stürmisch werden sollte, ab. Das wollte er erst in Betracht ziehen, sobald sie genügend Seemeilen zwischen sich und den Feind gebracht hatten.
Für den Moment war die Geschwindigkeit das Wich- tigste. Der Admiral und seine Flotte hatten den Wind hin- ter sich, so dass sie rasch vorankamen und allmählich die Piraten einholten.
Lazar und seine Schiffe, die sich in Richtung Westen
aufmachten, mussten mit Backstagbrise segeln, damit der Wind von Backbord kam.
Schneller, dachte er angespannt.
Vielleicht würden sie es schaffen, im Schutz der Dun- kelheit bis zur „Wolfshöhle“ zurückzukommen, ohne dass der Feind ihnen zu nahe kam. Doch wenn das Unwetter zu heftig werden sollte, liefen sie Gefahr, alle sterben zu müssen, weil er nur die Toppsegel hatte reffen lassen.
Da er wusste, dass seine Besatzung nur wenig Zeit brauchte, um alle Segel einzuholen, hatte er genug Spiel- raum, um eine endgültige Entscheidung noch hinauszu- schieben.
Der Späher hoch oben im Ausguck brüllte hinunter, dass er ein elftes Schiff entdeckt hatte. Vielleicht handelte es sich um ein französisches, das jedoch keine Flagge gehisst hatte. Es schnitt etwa sechzehn Leagues entfernt an der Backbordseite durchs Wasser und holte sie immer rascher ein.
„Französisch, wie?“ murmelte Lazar. Er hatte seine Zweifel.
Malik hatte ihm erzählt, dass sein alter Freund Dome- nico Clemente, nun Gouverneur von Amantea, einen hohen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt hatte. Lazar nahm des- halb an, dass ein Glücksjäger darauf aus war, die tausend Louisdor zu verdienen.
Das machte ihm tatsächlich Sorgen – nicht so sehr die schwerfälligen Marineflotten, sondern die gnadenlosen Söldner, wie er einmal einer gewesen war. Stets waren sie gut bewaffnet, skrupellos, gierig und geschickt. Jedenfalls wusste er jetzt, dass er einem Kampf nicht entkommen konnte – ob er es wollte oder nicht.
„Nun gut. Lassen wir sie unsere Kanonen fühlen, Män- ner.“
Harcourt grinste ihn an.
Ein gedämpftes Murmeln lief über die Decks, als die Männer die am weitesten reichenden Kanonen vorberei- teten.
Es begann zu regnen. Innerhalb weniger Minuten wan- delten sich die kalten Tropfen in Hagel um, der auf die ungeschützten Männer in den Rahen einschlug.
Harcourt brüllte zu ihnen hinauf, dass sie nicht auf sich selbst, sondern auf die Segel achten sollten. Doch das war
eigentlich nicht nötig gewesen. Schließlich handelte es sich um die Piraten des Teufels von Antigua, die nach einem Kampf geradezu gierten.
Lazar warf seinen nassen Zigarrenstumpen über Bord und zog sich den Regenmantel an, den ihm Mutt brachte. Er schloss ihn nicht einmal.
„Capitán!“ rief eine hohe Stimme vom Vorderdeck.
Er drehte sich um und entdeckte Darius, der beim Schanzkleid stand und dessen schwarzes Haar ihm infolge des anfänglichen Gussregens auf dem Kopf klebte.
„Geh wieder nach unten“, befahl Lazar ihm. „Hier ist kein Platz für dich.“
„Capitán, nein!“
Lazar drehte sich erneut zu ihm um. Diesmal sah er finster aus. „Was hast du gesagt?“
„Capitán, bitte! Schicken Sie mich nicht wieder in das Versteck mit dem alten Mann und der Dame. Ich bin ein Mann! Geben Sie mir männliche Arbeit. Sie wissen, dass ich ein guter Kämpfer bin.“
„Du bist noch nicht trocken hinter den Ohren und eine Landratte, wie sie im Buch steht. Jetzt verschwinde unter Deck!“
„Aber ...“
„Du gehst sofort nach unten!“ Lazar bemerkte den ver- letzten Gesichtsausdruck des Knaben und zeigte sich wei- cher. „Willst du denn nicht deine Mutter wieder sehen und in die Arme nehmen können?“
„Ich habe keine Mutter“, erwiderte Darius bedrückt.
Lazar brummte etwas Undeutliches und überlegte sich, was er Passendes erwidern konnte. „Hör zu. Es würde mich beruhigen, zu wissen, dass ein Mann, dem ich vertrauen kann, ein Auge auf meine Frau hält.
Ich wette, dass sie schreckliche Angst verspürt oder es wenigstens bald tun wird. Wie ich den Vikar kenne, wird er bald zu seekrank sein, um ihr zu Hilfe eilen zu können.
Jemand muss sie davon abhalten, irgendetwas Törich- tes zu tun – keine leichte Aufgabe, das kann ich dir versichern. Könntest du
Weitere Kostenlose Bücher