Gaelen Foley - Amantea - 01
bestehen – aber er war kein Ehrenmann. Er schloss die Arme um sie, als wäre sie sein Rettungsring, und schwor dem Himmel, der ihn hasste, dass er sie niemals gehen lassen würde.
Zum Teufel mit dem Gedanken, sie wegzugeben. Nie- mals!
Sie war nun die Seine. Er hatte sie mitgenommen, wie Hades seine Frühjahrsgöttin entführt und die unwillige Braut dazu gezwungen hatte, seine Leiden zu teilen. Auch wenn es keineswegs seine Absicht war, sie zu heiraten. Er konnte es sich zwar nicht erklären, aber er wollte ihr zei- gen, dass er niemals vorgehabt hatte, so zu werden, wie
er tatsächlich geworden war. Sie musste verstehen, welche Qualen er durchgestanden hatte.
Lazar barg sein Gesicht in ihrer Lockenpracht. Das Haar roch nach Rauch und Schießpulver, doch ganz undeutlich war noch der Duft von Blumen zu erkennen. Dann strich er die Strähne fort, die ihn an der Nase kitzelte, und stellte sich eine einfache Frage. Was war so wichtig daran, wie- der Herr der Lage zu werden, obgleich sie doch ein so wehrloses Geschöpf war?
Er war sich seiner eigenen Stärke bewusst, und sie muss- te Todesängste ausstehen. Wollte er sie auch noch für die Sünde, ihn von etwas abgehalten zu haben, das schon vorher sein Blut hatte gefrieren lassen, bestrafen?
Lange dachte er darüber nach, während er Allegras ruhigem Atem lauschte und ihr zärtlich über die Hüfte strich.
Er hatte die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens damit verbracht, zu hassen und an nichts anderes als an Rache zu denken. Und was für einen Sinn hatte es gehabt?
Keinen.
Wenn er seinen Plan tatsächlich durchgeführt und all diese Leben ausgelöscht hätte, wäre er innerlich genauso leer wie vorher gewesen. Doch als er nun hier mit Alle- gra lag, fühlte er sich alles andere als innerlich leer. Ja, er fühlte sich sogar reich beschenkt.
Diese Erkenntnis erschreckte ihn nicht einmal, obgleich sie das vielleicht hätte tun sollen. Er hatte das Gefühl, als befreite sie ihn von einem Mühlstein, der ihm um den Hals gehangen hatte. Diese Last war so lange da gewesen, dass Lazar ganz vergessen hatte, dass es sie gab.
Etwas Besonderes geschah mit ihm. Es ging tiefer als Erregung, war beständiger als seine Ängste, und er konnte beinahe fühlen, wie sein Leben eine geheimnisvolle neue Richtung nahm. Er musste es nur zulassen. Allerdings war er sich nicht einmal sicher, ob er eine Wahl hatte, denn dieser völlige Wandel schien nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Alles, wofür er gelebt hatte, war nun zu einem Ende ge- kommen. Allegra hatte es im Bruchteil einer Sekunde für ihn beendet – doch es schien nicht das Ende zu sein.
Vielleicht, dachte er, als er ihren warmen Körper an sich drückte, war er gerade dabei, eine neue Reise zu beginnen.
8. KAPITEL
Allegra lehnte sich an die Reling und schaute aufs Meer hinaus. Es war heiß und bedeckt. Die grüngrauen Wellen, deren Farbe an die Patina von angelaufenem Kupfer erin- nerte, ließen das Deck unter ihren Füßen schwanken. Sie dachte darüber nach, dass ihr Leben, so wie sie es gekannt hatte, nun vorüber war.
Jetzt war sie ganz und gar auf sich gestellt.
Wie hatte ihr Vater ihr das antun können? Diese Frage stellte sie dem Meer immer wieder, erhielt aber keine Ant- wort. Hatte er denn nicht gewusst, dass der Freitod ihrer Mutter vor neun Jahren für sie schon schlimm genug gewe- sen war, dass sie aber seinen Freitod nicht würde ertragen können?
Ungläubig und betäubt stand sie da. Die Trauer er- schöpfte sie, doch der erste große Schmerz um den Verlust wich allmählich dem Gefühl des Zorns. Zumindest ließ sie dieser wieder lebendig werden.
Bis zu diesem Morgen war sie zu verstört gewesen, um über ihre Lage oder ihre Zukunft nachzudenken. Aber nun begann sie zu spüren, wie die Kraft in sie zurückkehrte. Als Gefangene eines berüchtigten Piraten war dergleichen auch bitter nötig.
Ihre ganzen Bemühungen, ihre Grundsätze, ihre Ideale – alles war umsonst gewesen. Der Liebling des Volks wird bald das Spielzeug eines Mannes sein, dachte sie bitter. Eines Mann, der für all das stand, was sie verachtete – Vendetta und Gewalt, Verbrechen und Betrug.
Sie hätte ihm sogar glauben können, dass er der Prinz war, wenn es nicht dieses Problem gegeben hätte: Er war auf sein Schiff gestiegen, hatte den Anker einholen lassen und war von Amantea fortgesegelt.
Nein, er war ein Pirat und sie seine Gefangene. Finster schaute sie auf die Wellen.
Auf Amantea gab es schließlich viel Arbeit, der sie
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