Gaelen Foley - Amantea - 01
ungläubig.
„Ich versuche nur, ehrlich zu sein und dir zu zeigen, dass du nichts mehr von mir zu befürchten hast.“ Er warf einen ungeduldigen Blick auf den Mast. „Ich weiß, dass du mich nicht verstehst. Schließlich verstehe ich es selbst nicht, aber irgendwie hast du alles für mich verändert.“
Jetzt sah er sie mit vor Leidenschaft funkelnden Augen an, senkte dann jedoch den Kopf.
„Du gehörst jetzt zu mir. Begreife das doch bitte. Wir sind durch das Verbrechen deines Vaters aneinander ge- kettet – ob es uns gefällt oder nicht. Aber ich werde dir nichts antun, Allegra. Das schwöre ich beim Grab meiner Mutter. Bei den Gräbern der großen Fiori“, murmelte er ironisch und ließ Allegra allein an der Reling zurück.
Verblüfft drehte sie sich um und sah ihm nach. Sie be- trachtete seine kräftigen Schultern und seine schmalen Hüften, als er wie ein gekränkter Königssohn davonschritt und die Luke hinunterkletterte.
Er war ein Betrüger. Er war nicht Lazar di Fiori.
Ihr Vater hatte König Alphonso nicht verraten. Und ihre Mutter hatte sich nicht deshalb umgebracht, weil ihr Vater etwas Schreckliches getan hatte.
Lazar ging in den großen Raum, der an seine Kajüte grenzte. Er diente sowohl für Mahlzeiten als auch zum Aufenthalt. Der Vikar sah von seinem Buch auf, als der Kapitän die Tür zuschmetterte. Lazar blieb einen Moment am Eingang stehen.
„Ich würde sie am liebsten erwürgen!“ verkündete er, ging zum Schrank mit den Getränken und goss sich einen Brandy ein.
Der Vikar, der hinter ihm saß, lachte. „Aha, abgewie-
sen worden. Eine neue Erfahrung für dich, was, mein Junge?“
Lazar stürzte den Brandy hinunter und wandte sich sei- nem grinsenden Lehrer zu. Der Vikar nahm seine Brillen- gläser ab und steckte sie in seine Brusttasche.
„Sie hasst mich.“
„Willkommen in der Welt der sterblichen Männer!“
Lazar betrachtete ihn. „Dein Mitgefühl erfreut mich zutiefst.“ Er seufzte und schaute auf sein leeres Glas. „Zumindest liegt sie nicht mehr im Bett.“
„Sie hat sich wieder erholt?“
„Das kann man wohl sagen.“
„Gut“, meinte der ältere Mann und nickte. „Habe Ge- duld mit ihr, mein Junge. Sie muss für eine Weile zornig sein. Es wäre unnatürlich, wenn sie sich anders verhielte.
Gelangweilt zuckte Lazar die Schultern und stellte sein Glas ab. „Sie gefiel mir besser, als sie noch vom Laudanum umnebelt war.“ Missmutig ging er zur Luke und schaute hinaus. „Wie soll ich mich ihr gegenüber verhalten, Vikar? Ich habe das Gefühl, als würde ich nichts richtig machen.“
Der Vikar lachte.
„Was erheitert dich so?“ murmelte Lazar und sah aufs Meer. „Gefällt es dir, mich leiden zu sehen?“
„Sehr. Ich habe es noch nie erlebt, dass dich eine Frau derart beherrscht.“
„Auf welche Weise?“ Lazar betrachtete die Wellen und fragte sich, wann sie so blau geworden waren. Im Westen hatten sich wunderschöne Wolken formiert, und Sonnen- strahlen begannen, sie zu durchdringen.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Wie?“ Lazar drehte sich um und sah den Vikar fragend an, der amüsiert den Kopf schüttelte.
„Ich habe dich gerade gefragt, ob du die Erbstücke dei- ner Familie im Staatsschatz von Klein-Genua gefunden hast.“
„O ja!“ meinte Lazar. „Einen Moment. Ich zeige sie dir.“
Er ging in seine Kajüte, öffnete den Schrank und zog den alten Pallasch seines Vaters und einige schöne Schmuck- stücke seiner Mutter hervor. Liebevoll betrachtete er die Kette aus Diamanten und Amethysten, die so gut zu ihren Augen gepasst hatte.
Der Vikar bewunderte die wertvollen Juwelen, und dann
wickelte Lazar das Schwert aus, das in Sackleinen gehüllt war.
„Excelsior“, sagte er ehrfürchtig.
Lazar nahm den Griff des schweren Pallaschs und zog ihn aus seiner mit Juwelen besetzten Scheide. Die breite, beidseitig geschmiedete Schneide schimmerte golden. Das Schwert war noch schwerer als ein Entersäbel.
Nun reichte Lazar dem Vikar die wertvolle Scheide, da- mit dieser sie begutachten konnte. Dann umfasste er mit beiden Händen den Griff des Pallaschs, wobei er die Arme ausgestreckt hielt und die Waffe nach unten richtete.
„Der erste König der Fiori, Bonifacio der Schwarze“, erklärte er dem Vikar, „besiegte mit diesem Schwert die eingefallenen Sarazenen. Zweihundert Jahre später ver- suchten die französischen Kreuzfahrer, die den ursprüng- lichen Bergfried von Belfort erbaut hatten, die Insel zu erobern. Diesmal war es
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