Gaelen Foley - Amantea - 01
betrachtete, vermu- tete er, dass sie annahmen, er wisse schon, was er tat. In der Vergangenheit hatte er immer wieder bewiesen, dass er ein guter Kapitän war, weshalb es auch jetzt kein Misstrauen ihm gegenüber unter der Mannschaft gab.
Wenn er bloß tatsächlich gewusst hätte, was er tat.
Lazar hatte keine Ahnung, was er empfand, und war sich auch gar nicht so sicher, dass er es überhaupt heraus- finden wollte. Er vermochte nur an die tränenüberströmte, von Trauer gequälte Allegra zu denken, die jetzt betäubt in seinem Bett schlief.
Sie war sein Preis für das nicht stattgefundene Massa- ker. Er verstand noch immer nicht, was mit ihm gesche- hen war, was sie dort oben auf der Stadtmauer mit ihm gemacht hatte. Allegra berührte ihn auf eine Weise, wie das nur wenige bisher vermocht hatten. Das ließ sie höchst gefährlich werden.
Er wusste, was er tun musste, und vermutete, dass auch sie es wusste. Er wollte in die Kajüte hinuntergehen und sie in Besitz nehmen, da er Gnade hatte walten lassen.
Sie würde mit ihrem jungfräulichen Blut dafür zahlen, und er hatte nicht vor, besonders zart mit ihr umzugehen. Das war die einzige Art und Weise, wie er wieder Herr
der Lage werden konnte, nachdem er ihr seinen Willen aufgezwungen hatte.
In den kommenden Wochen gedachte er Allegras Anwe- senheit so gut wie möglich zu nutzen. Noch nie zuvor hatte er eine Jungfrau genommen, er hatte die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben mochten, stets als zu belastend betrachtet. Doch bei Allegra besaß die Vorstellung etwas durchaus Verlockendes.
Er wollte sie zu seinem Spielzeug machen, das ganz al- lein ihm gehörte. Wenn er ihrer überdrüssig würde, wollte er sie als seine Schwester oder Base ausgeben und sie an einen seiner Bekannten in Fort-de-France oder Martinique verheiraten.
Er würde sich darum kümmern, dass sie gut aufgeho- ben war oder zumindest einen anständigen Gatten hatte – nicht einen wie Clemente, der bald von Jeffers und sei- nen Männern erledigt werden würde. Mit ihrer Pariser Er- ziehung würde sie bei den kreolischen Plantagenbesitzern begeistert aufgenommen werden.
Aber zuerst würde er ihr zeigen, wie die Welt schöne Wesen mit jungen, edelmütigen Seelen zerbrach. Er wollte ihr die Unschuld rauben, da er es sich nicht leisten konnte, dass sie ihn rührte.
Nachdem Lazar noch einige Momente damit verbracht hatte, die Mannschaft für ihre gute Arbeit zu beglückwün- schen und ihnen mitzuteilen, wie viel Beute sie bekommen würden und wie groß der Anteil jedes Mannes sei, belohnte er sie mit Fässern des guten Amanteaner Weins, der aus den Kellern des Gouverneurs abtransportiert worden war. Dann überließ er die Leute sich selbst.
Lazar stieg durch die Luke zum Mitteldeck hinunter und ging zu seiner Kajüte. Er öffnete die Tür und blieb einen Moment stehen, um Allegra zu betrachten, die sich in seiner Koje zusammengerollt hatte.
Allegra sah völlig erschöpft aus. Ihr Haar war zerzaust, ihr weißes Seidenkleid zerrissen und mit schwarzen Pul- verspuren verschmutzt, ihr Gesicht vom Weinen verquol- len. Warum war sie dennoch das schönste Wesen, das er jemals erblickt hatte?
Leise schloss er die Tür hinter sich, legte die Waffen ab und zog die Weste aus. Von Zeit zu Zeit warf er dabei nach- denkliche Blicke auf sie. Er ging zum Waschtisch, wo er
sich etwas lauwarmes Wasser von der Kanne in die Por- zellanschüssel goss, sich dann darüber beugte und Gesicht und Hals bespritzte.
Er duckte sich, um in den kleinen runden Spiegel zu schauen. Mit der Hand strich er über die weichen schwar- zen Stoppeln auf seinem Kopf. Noch vor einem Monat hatte er eine kräftige Haarmähne gehabt, die ihm über die Schultern gefallen war. Er war gezwungen gewesen, die ganze Pracht abzuschneiden, als die Läuse, die auf der „Walfisch“ hausten, die Dreistigkeit besessen hatten, von den Köpfen der gewöhnlichen Matrosen auf den seinen zu springen.
Dahin mit der Eitelkeit, dachte er seufzend.
Lazar hob das Messer, das einen Elfenbeingriff besaß, tauchte es ins Wasser und begann mit der Rasur. Gleichzei- tig wunderte er sich über seine eigene Verzögerungstaktik, die ihn seinen Plan, Allegra zu genießen, hinausschieben ließ.
Er wünschte sich, dass sie aufwachen und gegen ihn kämpfen würde. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie ihn noch ein paar Mal gekränkt hätte, indem sie sich weigerte, an seine wahre Identität zu glauben. Noch nie zu- vor in seinem Leben hatte er eine Frau
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