Gaelen Foley - Amantea - 01
ihn denken ließ.
Aber es war zwecklos.
Keiner der Frauen, mit denen er zusammengekommen war, hatte er je gestattet, sich ihm wirklich zu nähern. Allegra aber hatte ihn in seiner dunkelsten Stunde erlebt – sie hatte ihm sogar beigestanden. Sie wusste nur allzu gut, welch schreckliche Geheimnisse er hütete.
Natürlich würde sie ihn nicht wollen. Er warf es ihr auch nicht vor, vor allem nicht, da ihr nun klar sein musste, dass er stets in Gefahr war, den Freitod zu wählen.
Für einen Mann wie mich gibt es nur einen Ort, wo er Ruhe finden kann, dachte er, erneut von Verzweiflung überwältigt. Das Meer.
Sanft berührte sie seine Wange und sah ihn an. Tränen schimmerten in ihren Augen. Es fiel ihr schwer, zu spre- chen. „Ich hatte zu große Angst, um dir zu glauben. Und ich bete darum, dass du mir meine Feigheit vergibst.“
„Natürlich, Allegra“, flüsterte er. „Alles.“
„Du bist so gut“, sagte sie zärtlich, während sie sein Gesicht liebkoste.
„Nein, das bin ich nicht.“ Er schmiegte erschöpft seine Wange an ihre Hand.
Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn auf den Mund, wobei sie seinen Kopf hinten umfasste. „Jetzt bin ich für dich da, Lazar. Das verspreche ich dir“, flüsterte sie. „Ich bin bereit, dir zu helfen, soweit ich es kann. Ich werde dich nicht mehr im Stich lassen.“
„Du glaubst mir also?“
Sie nickte heftig. „Und ich glaube an dich.“
Lazar blickte Allegra prüfend an und fragte sich, ob es jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, ihr auch körperlich näher zu kommen. Doch er fühlte sich innerlich noch immer zu mitgenommen, als dass er dazu fähig gewesen wäre. Er wollte nur bei ihr sein und sie berühren können.
Allegra küsste ihn noch einmal auf die Stirn und löste sich dann ein wenig aus der Umarmung. Da sah er, dass ihre Augen vor Entschlossenheit funkelten.
Ihre Miene drückte Bestimmtheit und engelsgleiche Ruhe zugleich aus. Das flößte ihm Respekt ein. Er war sich nicht sicher, ob er darauf vorbereitet war.
Allegra hob seine Handgelenke an ihre Lippen – zuerst das eine, dann das andere – und drückte jeweils einen in- nigen Kuss darauf. Dann fasste sie ihn an den Schultern und schaute ihm fest in die Augen.
„Du bist nicht mehr allein. Verstehst du? Mein lie- ber, lange verlorener Freund, du musst mir alles erzäh- len. Zusammen werden wir es irgendwie schaffen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, und dann wird die Gerechtigkeit wieder ihren Lauf nehmen.“
Jetzt verstand sie. Dieses Leben hatte er nicht freiwillig gewählt. Schicksalhaft war er diesen Weg gegangen. We- der Verantwortungslosigkeit noch Gleichgültigkeit hatten ihn dazu veranlasst, Amantea im Stich zu lassen. Es war Schmerz. Tiefer Schmerz und Trauer.
Jedes scherzhafte Wort wies in Wahrheit darauf hin, wie er mit seinen Wunden umzugehen versuchte. Die- ser bedauernswerte, edle Mann war außer Stande, sich selbst zu vergeben, dass er als Einziger überlebt hatte, während der Rest seiner Familie ums Leben gekommen war.
Wie hatte sie das auch nur einen Moment lang bezwei- feln können? Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf seine ausdrucksvollen Augen, die so dunkel und geheimnisvoll wie das Meer waren.
Allegra hielt den Atem an und schaute mit nur müh- sam zurückgehaltener Ungeduld auf seine Lippen, als könnte sie diese mit ihrem Blick dazu veranlassen, ihr jede Einzelheit seines Lebens mitzuteilen.
Stattdessen hörte sie nur das Klatschen der Wellen gegen die „Walfisch“.
Ihr Prinz sah verwirrt aus. Er senkte vor ihrem ernsthaf- ten Blick hilflos die Lider. Sie wollte ihm gerade ein paar aufmunternde Worte sagen, um ihn zum Erzählen anzure- gen, als ihm einer der Männer zu Hilfe eilte, indem er an die Tür hämmerte.
„Gibraltar! Nur zwölf Meilen voraus, Kapitän! Kommen Sie an Deck?“
„Aye!“ rief er über die Schulter nach hinten. Als er sich wieder Allegra zuwandte, vermochte er seine Erleichte- rung über diese Unterbrechung kaum zu verbergen. Doch sie spürte auch seinen inneren Kampf – als ob ein Teil von ihm sich danach gesehnt hätte, seine Geheimnisse zu lüf- ten und sich so von ihrer Last zu befreien, während ein anderer am liebsten stets fliehen würde.
„Ich muss gehen“, sagte er behutsam.
„Darf ich mitkommen?“
Er führte ihre Finger an seine Lippen. „Aber natürlich.“
Daraufhin erhob Lazar sich und bot ihr die Hand, um ihr aus seiner Koje zu helfen. Allegra versuchte, sich et- was herzurichten, damit es den Männern
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