Gaelen Foley - Amantea - 01
das Herz brechen beim Versuch, ihn zu zähmen.
Allegra selbst wollte sich lieber nicht allzu nahe an den Mann heranwagen, der wie kein anderer das Feuer der Leidenschaft in ihr zu entfachen vermochte. Es war bes- ser, überhaupt nicht herauszufinden, was für ein Paradies ihr nicht vergönnt war. Diese Herzensqual wollte sie sich ersparen.
Kein Wunder, dass er sich mir nicht aufgedrängt hat,
dachte Allegra beinahe wehmütig. Kein Sohn von König Alphonso hätte so etwas je getan – dessen war sie sich sicher.
Mit einem Mal musste sie wieder an seine Bemerkung denken, mit der ihr Gespräch an diesem Abend angefan- gen hatte. Er hatte erklärt, er wisse, wie es sei, wenn einem Gewalt angetan werde. Soweit sie im Bilde war, konnte dies doch nur Frauen passieren. Falls sie sich irrte, wollte sie lieber nicht mehr darüber erfahren.
Allegra kam zu dem Schluss, dass Lazar es wohl bild- lich gemeint hatte und seine Äußerung sich auf seinen tragischen Verlust bezog.
Als junges Mädchen hatte sie es kaum bewältigt, über den Tod ihrer Mutter hinwegzukommen. Aber Lazar hatte seine ganze Familie, sein Zuhause, sein Königreich, sein Erbe – ja, seine ihm vertraute Welt – verloren.
Sie empfand größte Achtung vor seiner inneren Kraft. Nach allem, was er durchgestanden hatte, konnte man es ihm wahrhaftig nicht zum Vorwurf machen, dass er ein- mal in Versuchung gewesen war, sein Leben zu beenden. Doch sie dankte Gott aus ganzem Herzen, dass es ihm nicht gelungen war.
Als sie auf Gibraltar zusteuerten, befahl Lazar, alle La- ternen zu löschen. Die Kanonen der Engländer waren in einer Entfernung von nur wenigen Meilen – an der süd- lichsten Spitze Spaniens – stationiert. Allegra sah auf der Halbinsel die winzigen Lichter der Festung im Dunkeln leuchten.
Die ganze Besatzung wurde still. Sogar die Ruder wa- ren mit Lumpen umwickelt worden, um das Geräusch des Aufklatschens im Wasser zu dämpfen.
Allegra fragte flüsternd, warum solche Maßnahmen denn nötig seien. Lazar erklärte, sie dürften keinesfalls durch die Engländer aufgehalten werden. Die genuesische Flotte befinde sich wahrscheinlich nur einen Tag hinter ihnen und könnte sie so einholen und angreifen. Wenn die Piraten verlören, würde jeder Mann, den man fing, gehängt werden.
Allegra lief es eiskalt den Rücken hinunter, und sie sandte gleich ein Stoßgebet zum Himmel. Wenn ihr Prinz glaubte, sie würde zulassen, dass man ihn hängte, hatte er sich aber gründlich getäuscht.
Jeder Ruderschlag brachte sie ihrem Ziel näher.
Allegra wandte sich dem Osten zu – in jene Richtung, wo, viele Seemeilen entfernt, Amantea lag. Mit dem Ver- sprechen, bald wiederzukehren, schickte sie in Gedanken einen Abschiedsgruß an ihre Heimat.
Dann wurde sie von Lazar, der noch immer am Steuer- ruder stand, in die Arme gezogen. Seine Nähe wärmte sie, und in angespannter Stille warteten sie gemeinsam, wäh- rend die „Walfisch“ die anderen sechs Schiffe durch die Meerenge leitete.
Eine Wolke schob sich vor den abnehmenden Mond und ermöglichte es ihnen, noch heimlicher vorbeigleiten zu können. Nach zwei Stunden hatten sie es geschafft. Lazars kleine Flotte war unbemerkt in den Atlantik gelangt. Die ganze Besatzung seufzte erleichtert auf. Flaschen mit Rum wurden herumgereicht. Hier und dort war unterdrücktes Lachen an Deck zu hören.
Als die sieben Schiffe sich wieder in loser Folge verteil- ten und über das rauere, kältere Wasser des Atlantik glit- ten, drehte Lazar Allegra herum und küsste sie lange und voller Inbrunst auf den Mund.
Sie legte ihm die Arme um den Nacken und vergaß ei- nen Moment ganz, was sie sich vorgenommen hatte. Die Freude über seinen Erfolg hatte sie überwältigt.
Jemand in der Nähe entzündete eine Laterne. Als sich Lazar von Allegra löste und sie aus funkelnden Augen ansah, war sein freches Lächeln ganz und gar das eines Piraten.
„Meine kleine Gefangene“, sagte er rau und fasste sie noch fester um die Taille. „Geh zu Bett, und ruhe dich aus. Du wirst es brauchen, wenn ich nachher nach unten komme.“
„Willst du nicht die Nachtwache beenden?“ fragte Al- legra, die auf einmal unruhig geworden war.
Er schaute sich mit dem forschenden Blick eines er- fahrenen Seemanns auf Deck um. „Ich werde noch etwa zwei Stunden am Steuerruder verweilen und dann zu dir kommen.“
O mein Gott.
„Warte aber nicht auf mich. Keine Sorge, ich werde dich schon wecken.“
„Ich könnte jetzt nicht schlafen“, sagte sie
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