Gaelen Foley - Amantea - 02
zu kommen. Und dazu brauchte er Serafinas Hilfe. Sie gab ihm Kraft, sie war seine vertrauteste Gefährtin. Ihre Anwesenheit gab seinem Leben Sinn – und er hatte sie von sich gestoßen.
Auf der Straße war es still. Er sah während des langen Ritts keinen einzigen Menschen und beobachtete, wie Vögel aufflogen oder auf Ästen landeten. Weit über ihm kreiste ein Falke.
Die Sonne ging allmählich unter, und es wurde kühler. Als er sich dem Landgut näherte, kreisten seine Gedanken nur noch um Serafina. Zwar hatte er ihr befohlen abzureisen, aber bei ihr wusste man nie, ob sie gehorchen würde oder nicht. Er vermochte auch nicht zu sagen, was ihm in diesem Fall lieber war.
Nachdem sie nun die ganze Wahrheit über ihn erfahren hatte, wollte sie vermutlich sowieso nicht mehr bei ihm bleiben.
Eine Weile dachte er an die Dinge, die er am meisten an ihr schätzte und die er am stärksten vermissen würde – ihren Übermut und ihre Lebensfreude, ihr Schmollen und ihren Hochmut, wenn sie die Königin von Saba spielte. Und das Gefühl ihrer warmen Arme um ihn, wenn er einschlief.
Die Vorstellung, zu seinem alten Leben ohne sie zurück- zukehren, bedrückte ihn zutiefst. Doch er wollte sich nicht der Verzweiflung hingeben, sondern gleichmütig sein Schick- sal ertragen. Ob sie nun fortging oder blieb – er wollte ihre Entscheidung ruhig ertragen.
Die Sonne erhellte nur noch den westlichen Himmelsrand, während sich allmählich Dunkelheit auf die Landschaft he- rabsenkte. Müde ritt Darius durch die großen Eisentore und lenkte das Pferd zu den Ställen. Ihm sank das Herz, da nie- mand zu sehen war. Nicht einmal ein Fenster war erleuchtet.
Niemand schien anwesend zu sein.
Er blieb vor der Villa stehen und betrachtete sie aufmerk- sam. Wie sollte er es über sich bringen, hineinzugehen?
Nein, redete er sich zu. So hatte er es gewollt. Er hatte sie niemals wirklich verdient. Sie war edler Herkunft, zu schön, zu rein für ihn. Es war besser für sie, dass sie ihn vergaß.
Gib dich mir hin, hatte sie einmal gesagt – als ob das so einfach wäre. Er erinnerte sich auch daran, wie sie ihn einmal gefragt hatte: Was ist nötig, damit du mir vertraust?
Er wusste es nicht. Vielleicht ein Wunder. Ein Wunder, das die Jahre seiner Kindheit und Jugend ungeschehen machte. Ein Wunder, das ihm einen Vater gab, der ihn nicht schlug, und eine Mutter, die ihn nicht einmal abgöttisch liebte und ein anderes Mal im Stich ließ.
Darius biss die Zähne zusammen. Er wollte nicht länger
daran denken, wusste aber, dass sein Schmerz von dorther stammte und ihn auch jetzt noch quälte. Diese Erinnerun- gen standen zwischen ihm und dem Glück, das ihm Serafina verhieß.
Verstandesmäßig betrachtet, wusste er, dass seine Mutter ebenso misshandelt worden war wie er und sie deshalb dumm gewesen wäre, nicht zu fliehen. Doch tief in seinem Inneren hasste er sie beinahe noch mehr als seinen Vater. Er hatte ihn geschlagen, aber seine schöne, lebensfrohe Mutter hatte ihm das Herz gebrochen. Sie war seine einzige Verbündete gewesen, bevor sie auf und davon gegangen war.
Wenn er nur nicht so klein und hilflos gewesen wäre! Wäre er nur stark genug gewesen, um sie zu beschützen! Doch er hatte sich erst um sie kümmern können, nachdem sein Vater sie geschunden und verletzt von sich gestoßen hatte.
Darius vermutete, dass sie einen anderen wohlhabenden Beschützer gefunden hatte, der seinen Vater nicht gefürch- tet hatte. Sie nutzte die Gelegenheit zu entkommen und ver- gaß dabei ihren Sohn. Sie hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet.
Hure, dachte er voller Hass und Verachtung.
Ihr Verrat schmerzte ihn so sehr, dass er es gewöhnlich nicht einmal ertrug, an seine Mutter zu denken. Es fiel ihm leichter, sich an die Schläge und Hiebe seines Vaters zu er- innern als an ihr betörendes Lächeln ... Vielleicht hatte er seitdem jede Frau statt ihrer bestraft, indem er ihnen allen zeigte, was für leichtfertige Geschöpfe sie waren. Und nicht sie verließen ihn, sondern er sie.
Er hatte stets nur mit den Fingern schnippen müssen, um von den schönsten Frauen verehrt und geliebt zu werden. Mit einem Blick konnte er sie in seinen Bann ziehen und sie dann nach Belieben fallen lassen.
Bis jetzt.
Bis das reinste Wesen auf Erden sich ihm genähert und ihm etwas gezeigt hatte, was er bis dahin nicht erfahren hatte.
Hatte er dieses Mal gewonnen? Konnte er es einen Sieg nennen, dass er sie von sich gestoßen hatte, um sich ihr nicht
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