Gaelen Foley - Amantea - 02
Frühstück weggeräumt hatte, begann sie nach dem Silbermedaillon zu suchen, das Darius weggeworfen hatte.
Sie entdeckte es vor dem Speisezimmer. Nachdem sie die
Kette aufgehoben hatte, stellte sie fest, dass man sie nicht mehr reparieren konnte. Sie trug sie in ihr Schlafzimmer, wo sich ihre Schmuckschatulle befand. Bedrückt suchte sie nach einem passenden Ersatz. Schließlich zog sie eine Goldkette hervor.
Sie war noch zarter, als es die silberne gewesen war. Vor- sichtig hängte sie das Medaillon daran und ließ die Kette dann in die Tasche ihres Kleides gleiten. Der Gedanke, sie Darius wieder umzuhängen, beruhigte sie ein wenig.
Vielleicht war es nur Aberglaube, aber es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass er ohne das Amulett unterwegs war.
Serafina lief ruhelos von Zimmer zu Zimmer. Die Einsam- keit lastete schwer auf ihr, zudem war ihr langweilig zu Mute, während sie auf ihn wartete.
Wo immer sie auch hinsah, wurde sie an Augenblicke ge- mahnt, die sie mit Darius an diesem zauberhaften Ort erlebt hatte. Hier hatte sie sowohl gute als auch traurige Momente.
Als sie die Bibliothek durchquerte, dachte sie daran, wie sie ihn hier herausgefordert und seinen Stolz verletzt hatte. Eine Weile saß sie im Speisezimmer und betrachtete das Fresko mit Mars und Venus, die im goldenen Netz gefangen waren. Schließlich stieg sie die Stufen nach oben, um sich in ihrem Gemach für die Rückkehr ihres Mannes schön zu machen. Doch anstatt ihre Tür zu öffnen, ging sie zu dem Raum am Ende des Ganges, den sie noch nie betreten hatte.
Voller Neugier öffnete sie leise die Tür und stand zum ersten Mal in Darius’ Kammer.
Sie betrachtete das kleine spartanisch wirkende Zimmer. Das schmale Bett erinnerte an das eines Dieners. Die Decke war braun und das Leintuch weiß. Eine dünne Kerze stand auf einem schlichten Tisch, daneben lag eine Lesebrille. Dieses Zeichen seiner Verwundbarkeit berührte Serafina zutiefst.
An der linken Wand hing an Haken ordentlich aufge- reiht seine Kleidung. Alle Teile waren schwarz. Der Vorhang war zugezogen, und kein Bild hing an der Wand. Serafina schluckte. Es war das bedrückendste Zimmer, das sie jemals gesehen hatte.
Das ist doch kein Leben, Darius. Das ist das Dasein eines Gefangenen. Ich schwöre dir, dass ich dich da herausholen werde.
Gerade als sie wieder die Tür schloss, hörte sie Hufgeklap- per vor dem Haus. Die Wachen schrien, und Serafina wusste,
dass es nicht Darius war, der zurückkehrte. Dann durchlief sie ein Zittern.
Sie stand reglos da und lauschte den russischen Stimmen.
Gemeinsam mit dem König, dem Kronprinzen und den Ge- nerälen der Amanteaner Armee nahm Darius ein Abendessen ein. Die Männer gratulierten ihm alle zu seiner Hochzeit.
Plötzlich schienen sich alle so sehr für ihn zu freuen, dass Darius nicht wusste, wie er ihnen mitteilen sollte, dass seine Ehe bereits wieder zu Ende war. Sein Scheitern in Mailand schien im Vergleich dazu mit einem Mal unwesentlich zu sein.
Immer wieder dachte er an seine Frau, während die Män- ner über das Gefecht sprachen und meinten, dass sie sich gut gehalten hätten. Als Rafael selbstzufrieden verkündete, dass sie sicher ohne Schwierigkeiten Villeneuve in die Flucht schlagen würden, entgegnete sein Vater, dass dieser vielleicht gar nicht auftauchen werde. Schließlich hatte er von Horatio Nelsons kühler Souveränität gehört.
Nach einer Weile konnte Darius den Kronprinzen überre- den, dem König endlich von Julia und den Geheimgängen zu berichten.
Lazar war noch immer dabei, Rafael anzuherrschen, als Darius aufbrach. Er schmunzelte beim Anblick von Vater und Sohn, die sich unter wildem Gestikulieren die Meinung sagten. Darius wollte eine gewisse Zeit allein verbringen, um sich besser auf den Moment vorzubereiten, in dem er in das leere Herrenhaus zurückkehren musste.
Während er auf einem geliehenen Pferd nach Hause ritt, fühlte er sich zutiefst niedergeschlagen. Die Anstrengungen des Tages hatten ihn erschöpft, das schwere Mahl drückte ihn auf den Magen, und die Vorstellung, keine Serafina vorzufinden, lastete auf seiner Seele.
Er begann sich zu fragen, ob es so klug gewesen war, sich von Serafina zu trennen. Wenn sogar Lazar ihn für wert be- funden hatte ... Vielleicht war er gar nicht so übel, wie er glaubte.
Einmal musste sein Selbsthass ein Ende finden. Es führt zu nichts, dachte er. Wenn er es nicht einmal schaffte, irgend- wie zu sterben, dann war es an der Zeit, endlich mit sich ins Reine
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