Gaelen Foley - Amantea - 02
ermüdend gefunden. Die- ser Gedanke empörte sie noch mehr, was ihr ganz recht war. Wenn sie nicht zornig blieb, würde sie sicherlich zu weinen beginnen.
Serafina stürmte aus dem Flügel des Palastes, wo die kö- nigliche Familie lebte, und betrat den Hauptkorridor. Dort hielten sich oft die Höflinge auf. Als sie am Blauen Salon vorbeiging, entdeckte sie ein halbes Dutzend ihrer Verehrer.
Die jungen, frisch rasierten Gesichter erhellten sich. Die Prinzessin schritt an der Tür vorbei und eilte weiter, ohne auf die Jünglinge zu achten.
„Hoheit! Wartet!“
Sie verdrehte die Augen und beachtete die Männer nicht, die ihr hinterherstürzten.
„Dürfen wir Euch ein Stück begleiten?“
„Der Palast war wie ein Mausoleum ohne Sie.“
„Wird uns Prinz Anatol Tjurinow heute auf dem Ball mit Euch tanzen lassen?“
„Ich weiß es nicht“, meinte sie missmutig.
„Hoffentlich! Dieser Mann ist unerträglich eifersüchtig. Ihr müsst mir einen Tanz gönnen ...“
„Mir auch!“
„Uns allen! Wohin eilt Ihr eigentlich, Hoheit?“
„Spielt doch Billard mit uns ...“
Gewöhnlich mochte sie ihre Verehrer durchaus, obwohl sie nicht glaubte, dass diese verzogenen Jünglinge auch nur ei - nen einzigen Tag auf dem Schlachtfeld überleben würden. Doch im Augenblick war sie nicht in der Laune, mit ihnen zu sprechen.
Fröhlich plaudernd folgten die Höflinge der Prinzessin in die Haupthalle. Sie warf einen Blick in jeden Salon, an dem sie vorbeiging, konnte Darius aber nirgends finden.
Vielleicht vergnügt er sich schon mit einer neuen Geliebten im Bett, dachte sie verzweifelt. Mit einer Frau, bei der er sich keine Sorgen um die Folgen machen musste, wie das bei ihr der Fall gewesen war.
Als sie die marmorne Halle durchschritten, von der fünf Gänge in verschiedene Richtungen abgingen, ergriff einer der jungen Männer eine Lilie, die in einem riesigen Bouquet steckte. Er reichte sie Serafina.
„Für unsere Göttin“, sagte er spielerisch galant und blin- zelte ihr verschwörerisch zu.
Sie nahm die Blume nicht entgegen. „Lasst mich zufrie- den!“
„Tun Sie, was sie sagt!“
Alle schauten überrascht in die Richtung, aus der die kalte Stimme mit dem deutlichen Akzent kam.
Serafina wurde bleich.
Sie trat einen Schritt zurück und erwiderte den eisigen Blick ihres zukünftigen Gemahls.
In der Haupthalle stand Anatol Tjurinow, eine mächtige Gestalt mit einer kupferfarbenen Haarmähne, die er, eitel wie er war, offen trug. Er hatte eine dunkelblaue Uniform an, und der Blick seiner hellblauen Augen wirkte gnadenlos.
„Anatol“, brachte Serafina mühsam heraus. Sie deutete einen Knicks an, wobei ihr Herz heftig pochte.
„Es freut mich, dass Sie mich noch erkennen“, sagte er mit leichtem Missfallen und verbeugte sich steif. Er lächelte ihr dabei von unten zu, und sie spürte sofort die Grausamkeit, die von ihm ausging.
Als Anatol sich im Palast umsah, als würde er ihm bereits gehören, wichen die Jünglinge zurück wie verängstigte Hasen, die einen Löwen entdeckt hatten.
Serafina blieb allein mit dem Russen. Er war zwar noch ein Stück von ihr entfernt, doch sie fühlte sich bereits von ihm bedrängt.
Anmutig wies sie mit der Hand auf das Eingangsportal. „Willkommen in Amantea und unserem Zuhause.“ Als er näher trat, musste sie den Kopf zurücklegen, um zu ihm aufschauen zu können.
Er lächelte spöttisch.
„Göttin also?“ murmelte er. „Wer war der junge Mann?“
„Niemand von Bedeutung, Anatol.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Wie verlief Ihre Reise?“
Er lächelte und strich ihr sanft eine Strähne hinter das Ohr. Sie war bemüht, nicht zurückzuweichen.
„Waren Sie brav, meine liebe Braut?“
Einen Moment war sie nahe daran, ihn zu ohrfeigen. Statt- dessen trat sie jedoch einige Schritte beiseite, während ihr Herz wild schlug. Gemächlich ging sie zum Bouquet und roch an den Blumen, wobei sie seinen Blick deutlich spürte.
Langsam folgte Anatol ihr, doch sie vermochte es, den Tisch und den Strauß zwischen sich und dem Fürsten zu halten.
„War es eine lange Fahrt?“ fragte sie gezwungen fröhlich.
„Meine Vorfreude, Sie zu sehen, hat die Reise sehr lange erscheinen lassen.“
Serafina zupfte ein vertrocknetes Blatt von einer Rose. Ihr Lächeln wirkte verkrampft, und ihre Hände zitterten. „Und wann sind Sie eingetroffen?“
„Vor zwei Stunden. Ich habe Ihren verehrungswürdigen Vater gesehen.“
Bei der Erwähnung ihres Vaters entspannte sie sich
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